Rheinmaerchen
wenn ich mich entfernte, zu sich in sein Bett zu nehmen und die Türen wohl zu verschließen.
Wie ich befohlen hatte, geschahs; der Mond war im letzten Viertel, ich mußte meinen Damon verlassen; er legte sich nieder zu träumen, wie er meinte, aber er war eigentlich im Himmel und hütete an meines Vaters Stelle die Sterne.
Johannes ward sehr traurig, als er zu seinem Vater ins Bett mußte und die Türen fest verschlossen waren. Er konnte nicht hinaus, er weinte und klagte; Damon aber schlief fest. So ging die erste, die zweite Nacht hin, daß er nicht zu seiner Gespielin, der Tochter der Frau Erde, konnte; in der dritten Nacht aber hörte er ein erbärmliches Wehklagen unter dem Boden der Kammer. ‘Johannes! Johannes! warum kommst du nicht zu mir?’ rief das Fräulein Edelstein, ‘bist du tot? fehlt dir etwas? O mein Johannes, komm zu mir!’
Da konnte sich der Jüngling nicht mehr halten, er zerriß den seidenen Faden, mit dem ihn Damon an seinen Arm geknüpft hatte, berührte mit der Wurzel den Boden, der sich öffnete, und stieg hinab zu seiner Gespielin.
Als Damon den Faden zerrissen fühlte, ließ er die Sternenherde laufen, wie sie wollte, erwachte und folgte seinem Sohn in das Gemach der Frau Erde.
Erstaunt sah ihn die edle Frau an; sie grüßte ihn als einen werten Gast, und schnell vergaß er über ihrer Freundlichkeit, daß er unsern Sohn Johannes, der neben ihm mit Fräulein Edelstein stand, über seine unerlaubte Entfernung strafen sollte; er dachte nicht mehr an das Hüten der Sternenherde, was er überhaupt nur für einen schönen Traum hielt. Er vergnügte sich ausnehmend und spielte mit dem Affen Trismegistus Schach, der ihn immer gewinnen ließ, um sein Vertrauen zu erschmeicheln. Als er am Morgen mit Johannes nach Hause kehren wollte, bat ihn Frau Erde, doch in der folgenden Nacht ja wieder zu kommen. Er versprach es, wenn er nur vermöge, sich des Schlafes zu enthalten, wobei er immer träume, eine wunderschöne Herde von glänzenden Lämmern zu hüten. ‘Ach ja, ich kann mirs denken’, sagte Frau Erde; ‘aber so ihr kommen könnt, seid ihr willkommen.’ Der Affe Trismegistus begleitete ihn zur Türe und sagte, indem er ihm von unten auf über den Rücken strich: ‘Mein teurer Freund! schlaft bei Tag und kommt morgen wieder.’
Damon, nach Hause gekehrt, sank auf sein Lager und träumte lauter herrliche Dinge aus der Erde und kam nicht, des Mondes Herde zu hüten. Am folgenden Abend stieg er mit seinem Sohn abermals in die Gemächer der Frau Erde hinab und spielte mit dem schalkhaften Affen Schach. Dieser war ein ehemaliger Spion des Cisio Janus bei dem Forstjunker Picus in der Starenhöhle gewesen und war ganz im Bunde, Damon und seine Nachkommen irrezuführen. Als er Damon einen der folgenden Morgen zurückführte, sagte er ihm:
‘Wir werden wohl bald die Freude Eurer Gesellschaft entbehren, weil die Heimkehr der Frau Liebsten nahe sein dürfte, nehmt hier diesen Erdspiegel von dem Putztisch der Frau Erde, sie läßt Euch dieses kleine Andenken durch mich überreichen; Ihr habt einen hohen Turm in Eurem Hof, wenn Ihr abends hinauf schlafen geht, stellt ihn vor Euch, so werdet Ihr sehen, was Eure Freunde und selbst Eure Liebste in ihrer Abwesenheit dann eigentlich treiben.’ Dabei hauchte der Affe über den Spiegel und fuhr kurios darüber hin, als wolle er ihn putzen, und auch über den Rücken fuhr er Damon wieder ganz verkehrt.
Am folgenden Morgen ließ Damon unsern Sohn Johannes allein zur Frau Erde hinabgehen und setzte sich selbst auf den Turm, in den trügerischen Erdspiegel zu schauen, was ich in meiner Abwesenheit treibe.
Es war ihm ganz verborgen gewesen bis jetzt, daß ich das Kind einer anderen Welt, die Tochter des Mondmannes, sei. Er hielt mich für die Tochter eines Schäferkönigs jenseits der Berge. Nur aber sind die Schäfer bekanntlich sehr abergläubig, ja oft zu allerlei Zauberkünsten geneigt, und der Erdspiegel macht den, der hineinschaut, allen Kräften des Mondes, denen die Kreaturen unterworfen sind, besonders untertan.
Es nahte aber mein neues Licht, da ich bald mit zwei Lichthörnchen wieder erscheinen sollte: da legt die Schlange den Balg ab, da wachsen die Haare, Klauen, Nägel und Zähne, da legen die Hirsche die Hörner ab, und sprossen neue auf ihrer Stirne. Ich hatte viel zu tun; Damon hatte in den letzten Tagen die Sternenherde im Traum nicht gehütet; ein großer und ein kleiner Bär hatten sich in ihrer Nähe sehen lassen. Eilig nahm ich
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