Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
faszinierte.
Etwa alle zwei Wochen fuhr er die zwanzig Kilometer nach Fontainebleau. Dort konnte er besser als in Moret einkaufen, Wildledermäntel in die Reinigung geben, Radiobatterien besorgen wie auch Delikatessen, die Madame Annette für die Küche brauchte. Ein Blick ins Telefonbuch hatte ihm verraten, daß Jonathan Trevanny zwar in seinem Laden Telefon hatte, offenbar aber nicht zu Hause in der Rue Saint-Merry. Er dachte daran zu versuchen, die Hausnummer herauszufinden, aber er würde das Haus wiedererkennen, wenn er es sähe. Gegen Ende März wurde Tom neugierig: Er wollte Trevanny wiedersehen, selbstverständlich nur von weitem, und so kam es, daß er eines Freitag morgens, nachdem er auf dem Markt von Fontainebleau zwei Blumenkübel aus Terracotta gekauft und sie hinten in seinem Renault Kombi verstaut hatte, durch die Rue des Sablons spazierte, wo Trevanny sein Geschäft hatte. Es war kurz vor zwölf.
Trevannys Laden könnte einen neuen Anstrich gebrauchen; er wirkte bedrückend, als wäre sein Besitzer ein alter Mann. Tom war dort nie Kunde gewesen, weil es in Moret, [44] das Belle Ombre näher lag, einen guten Bilderrahmer gab. Das kleine Geschäft mit der Aufschrift Encadrements in verblichenen roten Buchstaben auf dem Holzschild über der Tür gehörte zu einer Ladenzeile mit einer Wäscherei, einem Schuhmacher und einem bescheidenen Reisebüro. Links war die Tür, rechts das quadratische Schaufenster mit diversen Rahmen sowie ein paar Bildern mit handgeschriebenen Preisschildern. Tom schlenderte über die Straße, warf einen Blick in den Laden und sah Trevannys hochgewachsene, nordische Gestalt hinter dem Ladentisch stehen, rund fünf Meter entfernt. Er zeigte einem Mann eine Rahmenleiste, redete auf ihn ein und schlug sich dabei mit dem Holz in die Hand. Dann blickte er auf und bemerkte Tom, sprach aber weiter zu dem Kunden, ohne eine Miene zu verziehen.
Tom schlenderte weiter. Trevanny hatte ihn sicher nicht erkannt. Er bog rechts ab in die Rue de France, die wichtigste Nebenstraße der Rue Grande, und ging weiter bis zur Kreuzung mit der Rue Saint-Merry. Dort wandte er sich nach rechts. Oder lag Trevannys Haus zur Linken? Nein, rechts.
Ja, da war es, kein Zweifel: ein schmales, graues, engbrüstiges Haus mit einem schlanken schwarzen Geländer über der Vordertreppe. Das winzige Zementgeviert beiderseits der Stufen wirkte öde ohne Blumentöpfe. Doch hinter dem Haus lag ein Garten, wie Tom sich erinnerte. Die Fenster waren blitzsauber, aber die Gardinen hingen schlaff herab. Ja, hier war er gewesen, auf Einladung Gauthiers, an jenem Abend im Februar. Links vom Haus führte ein schmaler Durchgang zum Garten. Eine grüne [45] Plastiktonne stand vor dem eisernen Gartentor, das mit einem Vorhängeschloß gesichert war. Wahrscheinlich gelangten die Trevannys gewöhnlich von der Küche durch die Hintertür in den Garten. Im Geiste sah Tom die Tür wieder vor sich.
Auf dem Gehweg gegenüber ging er die Straße entlang, langsam, doch zielbewußt. Er wollte den Eindruck vermeiden, er lungere vor dem Haus herum, weil er nicht sicher sein konnte, daß nicht Trevannys Frau oder sonstwer gerade in diesem Augenblick aus dem Fenster schaute.
War noch etwas zu besorgen? …Deckweiß. Er hatte fast keins mehr. Und das würde ihn zu Gauthier führen, den Künstlerbedarfshändler. Tom ging schneller. Er war hochzufrieden mit sich, denn Deckweiß brauchte er wirklich, also würde er Gauthiers Laden mit einem echten Anliegen betreten und vielleicht zugleich seine Neugier befriedigen können.
Gauthier war alleine im Laden.
» Bonjour, Monsieur Gauthier«, sagte Tom.
» Bonjour, Monsieur Riiepley!« Gauthier lächelte. »Wie geht es Ihnen?«
»Danke, bestens, und Ihnen? – Ich bräuchte ein bißchen Deckweiß.«
»Deckweiß…« Aus einem Wandschrank zog Gauthier eine flache Schublade hervor. »Hier, bitte sehr. Sie nehmen gern das von Rembrandt, nicht wahr?«
Das stimmte. Deckweiß der Marke Derwatt und andere Farben jener Firma gab es auch; die Etikette der Tuben zeigten in Schwarz die kühne, schräg abwärts zackende Unterschrift Derwatts. Aber etwas in Tom sträubte sich [46] dagegen, beim Malen zu Hause immerzu den Namen Derwatt zu lesen, wenn er nach einer Farbtube griff. Er bezahlte, Gauthier gab ihm das Wechselgeld und die kleine Tüte mit dem Deckweiß und sagte:
»Ach, Monsieur Riiepley, erinnern Sie sich an Monsieur Trevanny, den Bilderrahmer aus der Rue Saint-Merry?«
»Aber
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