Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Vorspiel: Meine besten Freunde, die High Heels
» Vamos , Freunde, jetzt geht’s los. Gleich werden wir den Saal zum Kochen bringen.« Als die Congas meiner Auftrittsmusik fürs Finale von GNTM 2010 erklangen, schaute ich ein letztes Mal auf meine High Heels, atmete tief durch und befahl mir: Konzentration, Jorge! Jetzt kommt dein Chicas Walk. Und raus auf die Bühne.
Der Zuschauerraum war ziemlich dunkel, nur ab und zu blinkten die Blitzlichter von Kameras auf. Ich konnte hören, wie Tausende von Menschen immer wieder meinen Namen schrien. Auf den riesigen Bildschirmen, die mich umgaben, liefen meine besten Freunde, die High Heels, zu den ersten Takten eines Medleys von Gloria Estefan, der kubanischen Queen of Latin Pop: Turn the beat around, love to hear percussion … Dazwischen blitzte immer wieder der Schriftzug »Chicas« auf.
Ich versank in der Musik und fing an zu tanzen. Meine Hüften schwangen im Takt der Absätze. Klack, klack, klack, klack. Links, rechts, links, rechts. High Heels geben mir einen sexy Touch, den ich in jeder Zelle meines Körpers spüren kann. Ich bewege mich damit ganz anders. Meine Attitude und mein Blick verändern sich, und mein ganzer Körper sendet das Signal aus: »Ja, schaut mich an, denn ich will mich für euch präsentieren.«
Das Publikum an diesem Abend fing die Signale auf und schickte eine prickelnde Energie zurück. Die Leute klatschten, schrien und feuerten mich an mit »Jorge, Jorge« und »Hola, Chica«. Ich konnte die Musik fast nicht mehr hören, weil die 15 000 Menschen in der Arena so toll mitgingen. Wow, dachte ich, das hört man jetzt bestimmt bis nach Kuba.
Ich lief, wackelte mit den Hüften, drehte mich im Takt der Musik und flirtete dabei mit den Zuschauern. Unglaublich, aber wahr: Jorge feierte mit unzähligen Menschen auf einer riesigen Party. Ich war mitten in meinem deutschen Traum und vergaß alles um mich herum: die Kameras, die Livesendung, das Millionenpublikum … Der Rhythmus hatte mich gepackt. Das war Adrenalin pur.
Mehr als die Hälfte des Chicas Walk war ich im Salsafieber. Ich wollte einfach nur tanzen und mich in meinem tollen Outfit präsentieren. An dem Abend trug ich einen Overall aus changierendem Stoff, dessen Farbe sich veränderte, je nachdem wie das Licht ihn anstrahlte – mal Kupfer, mal, Silber, mal Gold. Und dazu ein Paar Plateaustiefeletten – Sky Heels – mit einem glänzenden silberfarbenen Achtzehn-Zentimeter-Absatz.
Als ich etwa in der Mitte des riesigen Catwalk ankam, war der Boden auf einmal total rutschig. Da stimmt was nicht, dachte ich. Und im selben Moment schoss mir ein Bild aus den Proben durch den Kopf: Die sexy Tänzer eines Showacts räkelten ihre wunderschönen, glänzenden Körper auf dem Laufsteg. O Gott, da ist Öl auf dem Boden. Ich versuchte auf den Fußspitzen weiterzutanzen, damit die dünnen Absätze der Schuhe die glitschige Oberfläche so wenig wie möglich berührten.
Als ich eine Drehung machte, passierte es. Ich rutschte mit dem Absatz des rechten Schuhs weg. Da mein Gewicht gerade auf dem rechten Bein lag, knickte der Absatz nach innen weg und brach. Und das alles mitten in der Drehung … Ich ruderte ein paarmal mit den Armen, um mich wieder zu fangen, aber es war zu spät, das Gewicht aufs andere Bein zu verlagern. Ich fiel nach hinten – bumm! – auf den Popo, stützte mich mit den Händen ab, streckte die Beine durch und stand im nächsten Moment schon wieder aufrecht. Bumm! Bang! – so als wäre ich auf ein Trampolin gefallen. In dem Moment spürte ich keine Schmerzen. Nichts. Ich dachte nur: Jorge, lach und mach weiter.
Da waren die Leute im Saal schon aufgestanden. Sie klatschten und schrien: »Jorge! Jorge! Jorge!« Ihr Zuspruch riss mich mit und hob mich hoch. Tanzen, hinfallen, aufstehen, weitermachen. Und genau da setzten die Congas ein, als wollten sie mir sagen: The show must go on, Jorge. Turn the beat around …
Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm. Vielleicht war es das Adrenalin, die Energie, die aus dem Zuschauerraum kam, mein Wille oder Optimismus. Keine Ahnung. Ich tanzte die letzten Sekunden meines Auftritts auf den Fußspitzen weiter, denn der Absatz, obwohl er noch am Schuh hing, war zum Laufen nicht mehr zu gebrauchen.
Der Sturz war das Thema des Abends. Ausgerechnet der Catwalktrainer fiel auf den Popo. Hatten ihn seine besten Freunde, die High Heels, im Stich gelassen? Nein, denn dieser Sturz gab mir die Möglichkeit, einen wichtigen Aspekt meiner
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