Ritter des dunklen Rufes
Riegel rührte sich nicht. Er drückte fester, dann sank seine Hand kraftlos herab. Seine Angst wich nun Wut. »Was willst du noch von mir?« schrie er. Er sank auf die Knie und betete um Erlösung, aber obgleich er seine Gedanken aussandte, spürte er nicht, dass sie ihr Ziel erreichten. Erschöpft erhob er sich – ein Ritter ohne Rüstung. Aus seinem Bündel nahm er Wollhosen und eine Ledertunika und zog sich an. Er schob das Wehrgehänge über die Schulter, so dass Schwert und Scheide an seiner Seite hingen. Schließlich schlüpfte er in ein Paar weiche Reitstiefel aus Hirschleder und nahm seine Decke an sich. Das Bündel ließ er liegen.
Draußen am anderen Ende des Hofes graste der Hengst. Der Mann, der einst ein Ritter gewesen war, ging an dem Tier vorbei in die Schmiede. Auch sie lag unter einer dicken Staubschicht, die Werkzeuge waren verrostet und nutzlos, die großen Blasebälge zerrissen und gesprungen, der Schmelzofen offen – ein Paradies für Ratten.
Manannan nahm ein rostiges Sägeblatt. Auch wenn es schimmernd neu gewesen wäre, für ihn wäre es nutzlos gewesen. Der silberne Stahl war schon von sich aus sehr hart, aber verstärkt durch die Kraft von Ollathairs Zauber war ihm nur noch durch Hitze beizukommen. Er hatte schon einmal zwei Stunden voller Pein durchgestanden, als ein Schmied versuchte, den Riegel abzuschmelzen. Schließlich war der Schmied geschlagen vor ihm niedergekniet.
»Ich könnte es schaffen, Herr, aber es würde nichts nützen. Die notwendige Hitze würde Euer Fleisch schmelzen und Euer Hirn verdampfen. Ihr braucht einen Zauberer, keinen Schmied.«
Und er hatte Zauberer gefunden, und Möchte-Gern-Magier, Seher und Hexen. Doch niemand konnte den Bann des Waffenmeisters aufheben.
»Ich brauche dich, Ollathair«, sagte der Einstige Ritter. »Ich brauche deine Zauberkünste und deine Fertigkeiten. Aber wo bist du?«
Ollathair war vor allem anderen Patriot gewesen. Er hätte das Reich nur unter Zwang verlassen. Und wer hätte schon den Waffenmeister der Gabala-Ritter zwingen können?
Manannan saß still zwischen den rostigen Überbleibseln von Ollathairs Werkstatt und versuchte, sich längst vergangener Gespräche zu erinnern.
In Anbetracht der Größe des Reiches, das sie einst beherrschte, waren die Länder der Gabala nicht groß. Von den Grenzen Fomorias im Süden zu den Küstenstraßen von Cithaeron war es eine Reise von knapp anderthalbtausend Kilometern. Von Osten nach Westen, von den Steppen der Nomaden zum westlichen Meer und Asripur waren es lediglich tausend. Eines war sicher – Ollathair würde Städte meiden, er hatte die marmorne Scheußlichkeit Fulborgs stets gehasst.
Wo dann? Und in welcher Richtung? Ollathair war lediglich der Name gewesen, den der Waffenmeister für sich gewählt hatte, aber er führte noch einen anderen Namen, den er benutzte, wenn er allein und unerkannt reisen wollte. Manannan hatte dies vor zehn Jahren durch Zufall während eines Besuchs im nördlichsten der neun Herzogtümer herausgefunden. Er hatte an einer Herberge Halt gemacht und dort gesehen, wie der Besitzer mit einem kleinen Vogel aus schimmernder Bronze prahlte, der in vier Sprachen sang. Als der Mann die Hand hob, flog der Vogel einmal durch den Raum, und ein süßer Duft erfüllte die Luft.
Manannan war auf den Mann zugegangen, der sich tief verbeugte, als er die Rüstung der Gabala erkannte.
»Woher hast du den Vogel?« hatte Manannan gefragt.
»Er ist nicht gestohlen, Herr. Das versichere ich Euch. Beim Leben meiner Kinder.«
»Ich bin nicht hier, um über dich zu richten, Mann. Es war nur eine Frage.«
»Es war ein Reisender, Herr, vor zwei Tagen. Ein untersetzter Mann, hässlich wie die Sünde. Er hatte kein Geld für ein Zimmer und hat hiermit bezahlt. Darf ich es behalten?«
»Behalt es oder Verkaufes, das kümmert mich nicht. Wohin ist dieser Reisende gegangen?«
»Nach Süden, Herr. Über die Königsstraße.«
»Hat er dir seinen Namen genannt?«
»Ja, Herr, wie das Gesetz es verlangt. Und er hat sich in das Register eingetragen. Hier.« Er nahm ein ledergebundenes Buch und zeigte es dem Ritter.
Manannan holte Ollathair am nächsten Nachmittag auf einem langen, offenen Straßenstück ein. Der Waffenmeister ritt ein dickes Pony.
»Hat man denn nirgends Frieden?« fragte Ollathair. »Was ist dein Problem?«
»Es gibt kein Problem, von dem ich wüsste«, erwiderte Manannan. »Dies ist eine zufällige Begegnung. Ich sah deine Arbeit in der Herberge, etwas
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