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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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an.
    Teresa hatte schon wieder Jörg Neblung am Telefon.
    »Durchsuch sofort sein Zimmer, ob du einen Abschiedsbrief findest!«
    Sie rannte die Treppe hoch in das Schlafzimmer. Der vom Hund angeknabberte Bildband lag noch immer auf dem Nachttisch, dazu
     Zeitschriften, ein Krimi, es war der erste Ort, an dem sie suchte. Sie wischte die Zeitschriften vom Tisch, und ein weißes
     Blatt fiel heraus. »Liebe Terri, es tut mir leid, dass …«, sie las gar nicht weiter, Jörg war noch am Telefon, er schrie:
     »Ich rufe die Polizei!«
    |422| Oft sind depressive Menschen in den Tagen vor ihrem Selbstmordversuch auf einmal besser gelaunt. Es erleichtert sie, dass
     sie sich endlich entschlossen haben, den einzigen in ihrer verzerrten Wahrnehmung sichtbaren Ausweg zu nehmen. Gleichzeitig
     ist ihre bessere Laune die Fassade, hinter der sie die Todesabsichten vor ihren Nächsten verstecken.
     
    Robert Enke war am Dienstag, den 10. November 2009, acht Stunden in der Nähe von Empede umhergefahren. Am Nachmittag erinnerte
     er sich, dass er noch etwas erledigen musste: Er wechselte an einer Tankstelle das Öl in seinem Auto. Dann fuhr er an Empede
     vorbei zum nächsten Bahnübergang in Eilvese. Gelegentlich nahm er noch den Zug zum Training, ein Nationaltorwart in der S-Bahn,
     warum nicht, fand er, die Verbindung war gut. Er kannte den Fahrplan auswendig. Er wusste, dass um 18.15 Uhr der Regionalexpress
     aus Bremen ohne Halt durch Eilvese hindurchraste.

|423| EPILOG
Der Blick auf den Palast
    In der Küche in Empede hängt neben dem Kühlschrank ein neues Foto. Die Farben im Bildhintergrund sind leicht verschwommen,
     dadurch wirkt es, als umgebe die Protagonisten ein sanfter Ton. Robert Enke lächelt vorsichtig, es scheint selig, Leila sitzt
     auf seinem Schoß.
    Es ist das letzte Foto, das von ihm gemacht wurde.
    Und so ist das schöne Bild auch ein verstörender Beweis: welche Kraft er in seiner Depression entwickelte, die Krankheit hinter
     einem unschuldigen Gesicht zu verstecken. Als er am Montag, dem 9. November, im
Café Kreipe
lächelnd für Teresas Kamera posierte, hatte er allen Anzeichen nach schon entschieden, sich einen Tag später selbst zu töten.
    Ein Torwart trainiert sein ganzes Leben lang, sich Verzweiflung, Enttäuschung oder Angst nicht anmerken zu lassen. Diese Fähigkeit,
     immer souverän zu wirken, half Robert Enke weiterzuleben, als die Depression ihn überfiel. Und diese Begabung wurde sein Verhängnis,
     als ihn die Krankheit auf den Irrweg geführt hatte, den Tod zu suchen: Er versteckte seine Absichten so gut, dass ihm keiner
     mehr helfen konnte.
    Viele Zeitungen schrieben danach fälschlicherweise von einem Freitod. Der Tod eines depressiven Menschen ist niemals eine
     freie Entscheidung. Die Krankheit verengt die Wahrnehmung so sehr, dass der Leidende nicht mehr versteht, was es heißt zu
     sterben. Er glaubt es hieße nur, die Krankheit loszuwerden.
    Wie genau Depressionen entstehen, ist noch immer nicht endgültig erforscht. Selten wird die Krankheit von einem einzelnen,
     eindeutigen Grund ausgelöst, manchmal bleibt es unerklärlich, warum sie gekommen ist. Manche Menschen sind jeden Winter |424| wieder depressiv, viele trifft es wie Robert Enke punktuell, für kurze Phasen ihres Lebens.
    Ewald Lienen, der ihm als Trainer näherstand als die meisten im Fußballgeschäft, rief nach Roberts Tod fassungslos bei Jörg
     Neblung an und fragte: »Aber wieso habe ich denn nie etwas gemerkt?« Weil Robert Enke in der Zeit, in der er mit Lienen täglich
     zusammenarbeitete, frei von den Symptomen der Krankheit war, ist die einfache Antwort. Er litt zweimal im Leben unter Depressionen,
     2003 und 2009. In all den anderen Zeiten war er so, wie wir ihn erlebten. Ein warmherziger Mensch, der daran glaubte, dass
     Demut auch für einen Torwart kein schlechter Wesenszug ist.
    Sein Tod ging auch deshalb vielen nahe, weil sie spürten, dass Werte wie Solidarität und Fürsorge, an die er glaubte, ihm
     in der Welt des Profifußballs oft verweigert wurden. Darunter litt Robert Enke, darunter leiden viele Fußballprofis, die merken,
     wie Rücksicht oder Einfühlsamkeit ihnen von manchem Trainer, aber noch mehr von der Öffentlichkeit als Schwäche ausgelegt
     werden. »So bin ich nicht und so will ich auch nicht sein«, rief Robert Enke, als ihn wieder einmal der Gedanke aufwühlte,
     sein Spiel finde weniger Anerkennung, weil er nicht der grimmige Torwart war, der einsam und rücksichtslos seinen Weg

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