Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
anderthalb Jahren von diesem Wall aus Holzstücke gegen den Felsen gestemmt und sie mit Baumzweigen und Ähnlichem bedeckt hatte, um den Regen abzuhalten, welcher während gewisser Jahreszeiten sehr heftig war.
Meine Güter hatte ich sämmtlich in diese Einhegung und die im Hintergrund derselben befindliche Höhlung gebracht. Anfangs hatten sie dort einen unordentlichen Haufen gebildet und mir allen Platz weggenommen, so daß ich kaum mich hatte rühren können. Daher hatte ich mich daran gemacht, die Höhlung zu erweitern und tiefer in den Felsen einzudringen. Dieser bestand aus lockerem Sandstein und gab leicht nach. Da ich mich gegen wilde Tiere doch hinlänglich geschützt glaubte, arbeitete ich mich ganz durch den Felsen durch und bekam so eine Tür nach Außen hin, durch die ich meine Festung verlassen konnte. So hatte ich nicht nur einen Aus- und Eingang, sondern auch einen größern Behälter für meine Besitztümer bekommen.
Ich begann sodann mir diejenigen Gegenstände anzufertigen, die mir die notwendigsten schienen, nämlich vor Allem einen Tisch und einen Stuhl, da ich ohne diese nicht einmal die geringe Behaglichkeit, die mir auf der Welt geboten war, zu genießen vermocht haben würde. Denn ohne Tisch hätte ich weder schreiben, noch essen, noch andere dergleichen Geschäfte mit einiger Bequemlichkeit vornehmen können.
Hierbei kann ich nicht umhin zu bemerken, daß, da die Vernunft die Wurzel und der Ursprung der Mathematik ist, Jedermann durch vernünftige Berechnung und Ausmessung der Dinge binnen kurzer Zeit ein Meister in allen mechanischen Künsten zu werden vermag. Ich hatte in meinem früheren Leben niemals Handwerkszeug zwischen den Fingern gehabt, und trotzdem erkannte ich jetzt bald, daß es mir durch Arbeit, Ausdauer und Eifer möglich sein würde, Alles, was ich brauchte, wenn ich nur das nötige Geräte gehabt hätte, selbst anzufertigen. Indes machte ich eine Menge Dinge auch ohne Handwerkszeug. Einige lediglich mit Hobel und Hackbeil, und zwar waren das Gegenstände, die wohl nie früher auf solche Art verfertigt waren. Zum Beispiel, wenn ich ein Brett nötig hatte, blieb mir Nichts übrig, als einen Baum zu fällen und ihn mit der Axt von beiden Seiten so lange zu behauen, bis er dünn wie ein Brett war, worauf ich ihn dann mit dem Hobel glättete. Freilich konnte ich auf diese Weise aus einem ganzen Baum nur ein einziges Brett erhalten; doch da half Nichts weiter als die Geduld, und wenn auch die Anfertigung eines einzigen solchen Gegenstandes mich eine enorme Menge Zeit und Arbeit kostete, so war ja Arbeit und Zeit für mich von geringem Wert, und es kam Nichts darauf an, ob ich sie so oder so verwendete.
Zunächst machte ich mir aus den kurzen Latten, die ich auf meinem Floße aus dem Schiffe geholt hatte, Tisch und Stuhl. Ferner brachte ich, nachdem einige Bretter in der oben angegebenen Weise fertig geworden waren, große Fächer von anderthalb Fuß Breite übereinander an der Seitenwand meiner Höhle an, um alle meine Werkzeuge, Nägel und eiserne Geräte darauf zu legen und Alles zur größeren Bequemlichkeit an einer bestimmten Stelle zu haben. Hierauf schlug ich Pflöcke in die Felswand, um mein Gewehr und Anderes dergleichen daran zu hängen. Meine Höhle sah jetzt aus wie ein großes Magazin von allen unentbehrlichen Dingen, und ich hatte Jegliches so zur Hand, daß diese Ordnung mir ein großes Vergnügen gewährte.
Von nun an begann ich auch ein Tagebuch zu führen und darin meine täglichen Beschäftigungen zu verzeichnen. Früher hatte es mir zu sehr an Ruhe, besonders an Gemütsruhe gefehlt, und mein Journal würde in dieser Zeit mit vielen unbedeutenden Dingen angefüllt worden sein. Da hätte ich zum Beispiel vom 30. September Nichts zu berichten gehabt, als etwa: Nachdem ich gelandet und dem Tod des Ertrinkens entronnen war, bin ich, nachdem ich zuvor eine ganze Menge Salzwasser, das ich verschluckt, gebrochen hatte und wieder ein wenig zu mir gekommen war, statt Gott für meine Errettung zu danken, mit dem Ausruf: »Ich bin verloren! ich bin verloren!« händeringend am Strand auf- und abgelaufen, bis ich müde und matt mich auf die Erde zur Ruhe legen mußte, wo ich aber nicht schlafen konnte, aus Furcht gefressen zu werden.
Einige Tage nachdem ich schon Alles vom Schiff geholt hatte, konnte ich es nicht unterlassen, doch wieder einmal die Spitze des kleinen Berges zu ersteigen und auf die See hinauszuschauen, in der Hoffnung, ein Schiff zu erblicken.
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