Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Wirklich bildete ich mir auch ein, in großer Entfernung ein Segel zu erspähen. Ich täuschte mich lange mit dieser Hoffnung und blickte starr auf das Meer, bis ich fast erblindete. Dann gab ich es auf, setzte mich nieder, weinte wie ein Kind und vergrößerte so durch eigne Torheit mein Elend.
Erst nachdem ich diesen Kummer einigermaßen überwunden, meine Niederlassung beendigt und mein Hauswesen eingerichtet hatte, und Alles um mich so hübsch wie möglich geordnet war, begann ich mein Tagebuch. Ich will den kärglichen Inhalt desselben (ich konnte es nämlich nur so lange fortsetzen, bis mir die Tinte ausging) hier mitteilen, obwohl dasselbe viele Dinge wiederholt, die schon berichtet sind.
Tagebuch.
Den 30. September 1659. Ich armer unglückseliger Robinson Crusoe habe bei einem fürchterlichen Sturm Schiffbruch gelitten und bin auf diese traurige Insel geraten, der ich den Namen »das Eiland der Verzweiflung« gegeben habe. Alle meine Schiffsgefährten sind ertrunken, und ich selbst bin nur mit Not dem Tode entronnen.
Nachdem ich gelandet war, habe ich den Rest des Tages dazu verwendet, meine trostlose Lage zu erwägen und darüber nachzudenken, daß ich weder Nahrung, Wohnung, Kleidung, Waffen, noch irgend einen Zufluchtsort habe. Es gebrach mir an jedem Trost und ich sah Nichts als Verderben um mich her. Ich erwartete, entweder von den wilden Tieren gefressen, oder von wilden Menschen ermordet zu werden, oder Hungers sterben zu müssen. Als die Nacht kam, erstieg ich einen Baum, aus Furcht vor den Bestien. Es regnete die ganze Nacht hindurch, dennoch aber erfreute ich mich eines gesunden Schlafes.
Den 1. Oktober. Am Morgen sah ich mit großer Verwunderung, daß das Schiff von der Flut dem Ufer weit näher getrieben war, als es am vorigen Tage gelegen hatte. Es war mir ein Trost, es aufrecht stehen und unzertrümmert zu sehen. Denn ich hoffte, wenn sich der Wind lege, könnte ich an Bord gehen, um Lebensmittel und sonstige notwendige Gegenstände holen zu können. Andererseits erneuete aber der Anblick auch meinen Schmerz um den Verlust der Kameraden, die, so schien es mir, wenn sie an Bord geblieben wären, das Schiff hätten retten können, oder wenigstens nicht ertrunken sein würden. Wäre die Mannschaft gerettet worden, so hätten wir vielleicht aus den Trümmern des Schiffes uns ein Boot bauen und in demselben irgend ein anderes Fleckchen Erde erreichen können. Ich verbrachte einen großen Teil des Tages damit, mich durch solche Gedanken zu quälen. Endlich aber, als ich das Schiff beinahe auf dem Trockenen liegen sah, ging ich am Strande so nahe wie möglich an es heran, schwamm dann bis zu demselben und begab mich an Bord. Auch an diesem Tage regnete es unaufhörlich, dabei war es jedoch gänzlich windstill.
Vom 1. bis zum 24. Oktober. Alle diese Tage wendete ich nur zu verschiedenen Fahrten nach dem Schiff an, aus welchem ich, jedesmal die Zeit der Flut benutzend, auf Flößen ans Land brachte, was ich nur vermochte. Auch in dieser Zeit währte der Regen, wiewohl zuweilen von schönem Wetter unterbrochen, fort. Es scheint dies die regnerische Jahreszeit zu sein.
Den 24. Oktober. Mein Floß schlug um und mit ihm meine ganze Ladung. Doch geschah es in seichtem Wasser, und da die Gegenstände schwer waren, bekam ich viele von ihnen während der Ebbe wieder.
Den 25. Oktober. Es regnete die ganze Nacht und den ganzen Tag über; einige Male traten auch starke Windstöße ein. Während eines solchen brach das Schiff in Stücke und es war Nichts mehr davon zu sehen außer dem Rumpf, und auch den erblickte ich nur bei niedrigem Wasser. Ich verbrachte den Tag damit, meine Habe in Sicherheit zu bringen, damit sie der Regen nicht verderbe.
Den 26. Oktober. Ich wanderte heute fast den ganzen Tag am Strande umher, um einen Platz für meine Niederlassung zu finden. Besonders war ich darauf bedacht, mich für die Nacht vor den Angriffen der wilden Tiere und Menschen zu sichern. Gegen Abend traf ich auf einen geeigneten Platz unter einem Felsen. Ich markirte einen Halbkreis für meine Wohnung, die ich mit einem Wall, gleichsam einer Festungsmauer, aus einer doppelten Reihe von Palissaden zu umgeben beschloß, welche letztere ich mit Taustücken zu verbinden gedachte.
Vom 26. bis zum 30. Oktober. Ich plagte mich sehr ab, indem ich all meine Habseligkeiten in die neue Wohnung brachte. Unterdessen regnete es eine Zeitlang heftig.
Den 31. Oktober ging ich des Morgens mit meinem Gewehr auf der Insel umher,
Weitere Kostenlose Bücher