Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
hatte, gekommen war. Jetzt beschloß ich, einmal meinen Weg längs der Seeküste auf jener Seite hin zu nehmen, und machte mich denn auch mit meiner Flinte, einem Beil, meinem Hund und mit einer größeren Quantität von Pulver und Blei als gewöhnlich, sowie mit zwei Zwiebacken und einem großen Bündel Rosinen in meinem Beutel auf die Wanderung. Nachdem ich das Ende des Tals, in welchem sich meine Laube befand, passiert hatte, bekam ich bald das Meer in Sicht. Da es ein außerordentlich heller Tag war, entdeckte ich plötzlich in der Ferne Land, konnte aber nicht unterscheiden, ob es eine Insel oder Festland sei. Es lag hoch und streckte sich von Westen nach Westsüdwesten in langer Ausdehnung hin. Nach meiner Berechnung mußte es mindestens fünfzehn bis zwanzig Meilen von meiner Insel entfernt sein.
Es war mir unbekannt,. was für ein Stück Erde das sein mochte, nur so viel glaubte ich zu wissen, daß es zu Amerika gehöre und allen meinen Beobachtungen nach in der Nähe der spanischen Besitzungen liegen müsse. Vielleicht mochte es von Wilden bewohnt sein, und wenn ich dort ans Land geraten wäre, hätte ich mich wohl noch in schlimmerer Lage befunden als hier. Dieser Gedanke söhnte mich noch mehr aus mit der Fügung der Vorsehung, die, wie ich jetzt einzusehen begann, Alles aufs Beste ordnet. Meine Seele wurde nun ruhiger und ich quälte mich nicht mehr mit fruchtlosen Wünschen, anderswo zu leben.
Übrigens sagte ich mir, daß, wenn jenes Land wirklich zur spanischen Küste gehöre, sich früher oder später sicherlich in der Nähe desselben ein Schiff zeigen werde. War das Erstere aber nicht der Fall, so konnte jene Küste nur von den zwischen den spanischen Kolonien und Brasilien hausenden Wilden bewohnt sein, welche die schlimmsten von Allen, nämlich Cannibalen oder Menschenfresser sind und alle menschlichen Geschöpfe, die in ihre Hände fallen, ermorden und verzehren.
Unter solchen Gedanken schritt ich gemächlich weiter. Wie ich bemerkte, war die Inselseite, auf der ich mich jetzt befand, weit anmutiger als die meinige. Es gab hier blumengeschmückte Savannen oder Wiesen und schönes Gehölz fand sich in Menge. – Ich erblickte eine große Anzahl von Papageien, und es überkam mich stark die Lust, mir einen zu fangen, um ihn zu zähmen und sprechen zu lehren. Nach mehren vergeblichen Versuchen gelang es mir auch, eines jungen Tieres dieser Vogelart habhaft zu werden, das ich mit einem Stock vom Baume schlug und, nachdem es sich erholt hatte, nach Hause trug. Es währte mehre Jahre, bis dieser Papagei sprechen lernte, endlich aber hatte er gelernt, mich ganz verständlich bei meinem Namen zu rufen. Ein Vorfall, der sich hieran knüpfte, soll, obwohl er an sich unbedeutend ist, später zum Ergötzen des Lesers mitgeteilt werden.
Ich war sehr befriedigt von meiner Wanderung. In den Tälern hatte ich Hasen, wenigstens hielt ich einige mir begegnende Tiere für solche, und Füchse angetroffen. Doch unterschieden sie sich wesentlich von denen, die mir anderwärts vorgekommen waren, und lieferten mir auch kein Nahrungsmittel, wiewohl ich einige davon erlegte. Übrigens litt ich auch in Bezug auf Victualien jetzt keinen Mangel, denn ich war mit solchen von trefflicher Qualität versehen, und zwar besonders mit dreierlei Fleischarten, nämlich dem der Ziegen, Tauben und Schildkröten. Die Rosinen dazu gerechnet, hätte selbst der Markt von Leadenhall wenigstens für einen einzelnen Menschen keine bessern Tafelfreuden liefern können als diese. So hatte ich, wie traurig meine Lage auch sein mochte, doch Grund genug zur Dankbarkeit. Litt ich doch so wenig Mangel an Unterhalt, daß ich eher im Überfluß, und zwar sogar an nahrhaften Leckerbissen lebte.
Während meiner Entdeckungsreise machte ich nicht viel über zwei Meilen des Tags, dennoch kehrte ich stets durch viele Umwege, die ich einschlug, um Wahrnehmungen zu machen, müde genug zu dem Platze zurück, den ich ein- und für allemal zu meinem Nachtlager bestimmt hatte. Ich schlief dort entweder auf einem Baum, oder bildete mir eine Einfriedigung, indem ich rings um mich her Pfähle einsteckte, oder solche von einem Baum zum anderen legte. So konnten wilde Tiere nicht in meine Nähe kommen, ohne daß ich aufwachte. Wieder an das Meeresufer gelangt, sah ich mit Erstaunen, daß ich auch in Bezug auf dieses mein Quartier auf der ungünstigsten Seite der Insel genommen hatte. Denn hier war der Strand von unzähligen Schildkröten bedeckt, während ich
Weitere Kostenlose Bücher