Roeslein tot
Pfarrer ein so schöner Pfarrer ist: Er hat seinen Namen von einer Rose. Paul Fontane heißt er, wie die Moosrose »Deuil de Paul Fontaine«, die die Mutter von der Anni in die Gärtnerei gebracht hat. »Deuil« bedeutet ja »Trauer«. Eigentlich passt das gar nicht, denn ein Trauerkloß ist der Herr Pfarrer keineswegs. Im Gegenteil, alle kennen ihn als einen gut gelaunten, umgänglichen Mann, der mit jedem wunderbar auskommt.
Das heißt: mit fast jedem. Doch daran war nicht der Pfarrer schuld, sondern der Sepp. Der Sepp war der einzige bekennende Atheist von Reindlfing. Seit seiner Hochzeit hat er seinen Fuß nie mehr in die Kirche gesetzt. Am liebsten hätte er auch damals nur standesamtlich geheiratet. Die Rosi, seine Braut, hat jedoch resolut auf einer katholischen Trauung bestanden. Sie war nämlich im Gegensatz zu ihm sehr fromm. Da hat er sich zähneknirschend gefügt. An seiner Einstellung zur Religion hat es nichts geändert.
Den Blumenschmuck ließ der Sepp immer von der Anni in die Kirche bringen. Dass sie zur Messe geht, duldete er eher widerwillig. Am Sonntagvormittag schlief er immer aus und tat so, als würde er es nicht merken. Aber recht war es ihm nicht. Der Herr Pfarrer hätte schon längst eine andere Gärtnerei mit der Aufgabe betraut, wenn sie nicht alle so weit weg wären. Außerdem wollte er als Mann Gottes großzügig sein. Die andere Wange hinhalten. Vielleicht würde sich der Sepp eines Tages doch noch auf den rechten Weg zurückführen lassen. Es soll ja schon so manche gegeben haben, die bei der letzten Ölung plötzlich fromm geworden sind. Aber beim Sepp gab es keine letzte Ölung. Und jetzt ist es für alle Bekehrungsversuche zu spät.
Wenn ich so zurückblicke, muss ich feststellen, dass der Herr Pfarrer und der Sepp nicht das allerbeste Verhältnis hatten. Aber von einem handfesten Streit zwischen ihnen habe ich nie etwas gehört. Und dass sich jemand der Kirche verweigert, ist ja noch kein Grund, ihn umzubringen. Jedenfalls nicht für einen so sanftmütigen Gottesmann wie den Herrn Pfarrer Fontane. Ich glaube, den Mörder muss man woanders suchen.
Vier
Am vergangenen Sonntagmorgen war die Anni wie jeden Sonntag in der Kirche, nachdem sie die Blumen für den Altar in aller Herrgottsfrühe mit dem Lieferwagen hingebracht hatte, damit in dem selbst gebundenen Gesteck auch nichts durcheinanderkommt. Sie hat das Auto wieder in den Fahrzeugschuppen gestellt und ist zu Fuß zur Messe gegangen, wie immer ohne den Jens. Nicht dass der Jens was gegen die Religion hätte, die ist ihm ziemlich wurscht. Aber er würde sich von den ganzen alteingesessenen Reindlfingern bloß beobachtet fühlen. Für sie wird er immer »a Zuagroaster« bleiben, ein »Zugereister«, ein Fremdkörper im Dorf.
Die Anni hat er auf einem Düngerlehrgang in Westfalen kennengelernt. Er wohnte dort in der Nähe und fand ihren Dialekt so niedlich, dazu noch die Grübchen in ihren Wangen und die wuscheligen braunen Haare. Und als der Jens gehört hat, dass sie eine Gärtnerei erben wird, da hat er nicht lange gezögert.
Die Anni fand den Jens auch ziemlich fesch: Groß ist er, blond und blauäugig, so ein richtiger Edelgermane. Außerdem war sie froh, einen gefunden zu haben, der bereit war, nach Reindlfing zu ziehen. Noch dazu einen vom Fach. Mordsfleißig ist der Jens auch. Er will es zu was bringen. Das ist noch ein Grund, warum er sonntags nicht in die Kirche geht. In der Zeit kann er allen möglichen Kleinkram erledigen, zu dem er unter der Woche nicht gekommen ist. Natürlich so, dass es keiner der Nachbarn mitbekommt. Den Tag des Herrn entweihen? Da würden sich die Reindlfinger die Mäuler zerreißen, bis es sogar die Penzberger wüssten!
Nach der Messe lief die Anni schnell heim, um das Mittagessen zu kochen. Der Sepp lag noch im Bett und stellte sich schlafend. Den Jens hörte ich im Fahrzeugschuppen rumoren. Die Anni kam mit einem Korb und einer Schere um die Gewächshausecke und schnitt ein paar von meinen Blüten ab. Ihr stelle ich sie gern zur Verfügung, auch wenn es natürlich etwas zwickt. Einer Pflanze macht es nicht viel aus, ein paar Triebe oder Blüten zu verlieren. Es ist nur ein bisschen unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich.
Die Anni ging zurück ins Haus und machte das Küchenfenster weit auf, bevor sie mit der Zubereitung der Hollerkücherl begann. Dadurch gab sie dem Weihnachtskaktus auf dem Fensterbrett die Gelegenheit, uns anderen Pflanzen in der Gärtnerei zu übermitteln, was in der
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