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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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Kassentheke stehen. Sie trug ein ärmelloses Stretch-Kleid mit Leopardenmuster. Selbst auf die Entfernung leuchtete der fette Fleck ihrer geschminkten Lippen in ihrem Gesicht. Farbe: »Sonnenuntergang über der Serengeti«. Wie in den Reiseprospekten, die die Anni manchmal sehnsuchtsvoll durchblättert. Die Brüste der Eisingerin ragten vor wie zwei stattliche Termitenhügel, die das Raubtierfell eher verdeckten, als von ihm verdeckt zu werden. Die Fichte hätte es passend gefunden, wenn der Jens an diesem Tag einen Tropenhelm gekauft hätte. Leider hat das Sportgeschäft so etwas nicht im Sortiment.
    Kurz bevor der Jens die Kasse erreichte, hüpfte der Eisinger unverhofft zwischen zwei Kleiderstangen links des Hauptgangs hervor und versperrte ihm den Weg. »Ach, Jens, grüß Gott, du brauchst doch sicher eine passende Hose zu der Jacke, die du neulich gekauft hast. Ich hätte hier was: genauso wasserdicht und atmungsaktiv, nur einen Ton dunkler. Da sieht man die Schlammflecken nicht so. Der nächste Herbst kommt bestimmt.«
    »Die sieht ganz brauchbar aus. Kann ich sie mal anprobieren?«
    Der Jens trat in die Umkleide und wieder heraus. Die Eisingerin war inzwischen mit weiteren Hosen über dem Arm herbeigeeilt. »Klasse steht sie dir. Siehst aus wie ein aristokratischer Großwildjäger.«
    »Na, das ist wohl ein bisschen übertrieben, aber es wäre die optimale Arbeitshose«, dämpfte der Eisinger die Begeisterung seiner Frau.
    Der Kunde nörgelte: »Sie kneift im Schritt.«
    »Wir haben noch drei andere Modelle, probier die doch mal.«
    Der Jens hatte keine rechte Lust dazu. »Na ja, ich weiß nicht, vielleicht ist es für so was doch noch ein bisschen zu früh, jetzt, bei fast dreißig Grad im Schatten.«
    »Diese Hosen sind alle aus ganz leichtem Stoff! Und außerdem kann man bei zwei Modellen die Beine mit einem Reißverschluss abtrennen – und schwupp, schon hat man Shorts.«
    Der Eisinger machte es gleich vor.
    »Ja, ja, sehr praktisch. Ich muss noch mal darüber nachdenken. Also dann, tschüss und schönes Wochenende!« Der Jens verließ eilig das Sportgeschäft.
    Wenige Meter vom Sporthaus entfernt, noch innerhalb des Blickfeldes der Fichte, fing der Sepp ihn ab.
    »So, do treibst di oiso rum. Des hätt i ma denka kenna. Do muass’s jo wos mords wos Interessants gebn in dera Hüttn vom oiden Eisinger, so wia du do oiwei umanandschwanzlst. Ober für d’Oarbeit host koa Zeit. In aner Gärtnerei is fei a Samstog koa Feiertog. Do kimmt de meiste Kundschoft. Des sollt’st eigntlich wissn, wo du oiwei so schoarf aufs Geld bist.«
    »Ich habe die Gärtnerei ja wenigstens nicht unbeaufsichtigt gelassen. Die Kundschaft, die kommt, während du mich hier vollschwafelst, steht dagegen mutterseelenallein an der Kasse und kann ihr Geld nicht loswerden. Womöglich klaut sogar jemand was. In der Zeit, in der du mir nachspionierst, könntest du zwanzig Begonien verkaufen. Ich brauche eine neue Hose und kann nichts dafür, dass das Sporthaus die gleichen Öffnungszeiten hat wie wir. Außerdem bin ich dir überhaupt keine Rechenschaft schuldig.«
    Die zwei standen sich eine Weile zähnefletschend gegenüber wie zwei Serengeti-Hyänen. Schließlich kehrten sie gemeinsam zur Gärtnerei zurück. Griesgrämig stapften sie nebeneinander her, ohne sich anzuschauen. Als die Anni abends heimkam, war die Stimmung immer noch ziemlich angespannt.
    Ungefähr zur gleichen Zeit, als der aus Penzberg zurückkehrende Lieferwagen durch das Gärtnereitor fuhr, kam am anderen Ende von Reindlfing ein älteres, ziemlich dürres und graues Männchen in Kaschmirpullunder, Polohemd und Bügelfaltenhose aus englischem Tweed den Herrn Pfarrer besuchen. Es war der Anton Buchenwalder. Die Pfarrhauspflanzen erkannten ihn sofort.
    Im »heiligen Bezirk« von Reindlfing leben drei Pflanzen, die alle anderen über dortige Vorgänge informieren: Der schmächtige Bergahorn fristet sein Dasein zwischen dem Hinterausgang des Pfarrhauses, dem Sakristei-Eingang der Kirche und einer Seitengasse zum Anger. Die Kirchenmauer und die Pfarrhausmauer klemmen seine Krone so ein, dass sie sich nur zur Gasse hin entfalten kann. Seine Wurzeln werden von allen Seiten durch Fundamente bedrängt. Allein seine große Frömmigkeit erlaubt es ihm, die irdischen Unannehmlichkeiten geduldig zu ertragen. Er ist ein lausiger Korrespondent. Damit meine ich nicht, dass er Blattläuse hat. Die hat er zwar auch, doch ich beziehe mich auf die Qualität seiner Äußerungen. Zum einen

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