Rolf Torring 002 - Chinesische Raenke
die Annäherung der Feinde gemerkt hatte, während wir absolut nichts hören konnten, so mußte Pongo erst recht gehört haben, daß wir überwältigt wurden, wenn es ihm Tomo nicht schon gemeldet hatte.
Ich wurde in meinen Erwägungen durch die Beschaffenheit des Weges unterbrochen. Der schmale Pfad fiel plötzlich äußerst steil ab, so daß wir uns Mühe geben mußten, um nicht ins Laufen oder sogar Fallen zu kommen. Etwa dreißig Meter ging es hinab, dann kam ein scharfer Knick, und wir standen am Ufer des Atjehflusses. Einige Kähne lagen dort, in deren ersten wir hineingeschoben wurden. Das war allerdings sehr unangenehm, denn jetzt konnten Pongo und Tomo uns kaum folgen. Selbst die Spürnase eines Polizeihundes mußte jetzt ja versagen! Mißmutig nahm ich neben Rolf auf dem Boden des schmalen Fahrzeuges Platz, das rasch sechs Eingeborene besetzten, während die übrigen die anderen Boote bemannten. Als ich unauffällig zum Ufer zurückblickte - wir waren schnell abgestoßen und befanden uns schon auf der Mitte des Flusses -, mußte ich mich sehr zusammennehmen, um nicht einen Ruf der Freude auszustoßen, denn aus einem dichten Strauch guckte der Kopf des kleinen Tomo, der mir vergnügt zunickte und lachend seine blendenden Zähne zeigte.
Bei seinem Anblick hatte ich sofort die feste Zuversicht, daß auch Pongo in der Nähe wäre, und ich war überzeugt, daß der schwarze Riese uns auf jeden Fall befreien würde. Ich hätte meine Beobachtungen gern Rolf mitgeteilt, durfte es aber nicht wagen, ihm einige Worte zu sagen. Doch als ich ihn anblickte, blinzelte er mir vergnügt zu und winkte dann unauffällig mit dem Kopf zum Ufer hinüber. Also hatte er auch den kleinen Boy bemerkt! Jetzt sahen wir mit großer Ruhe den weiteren Ereignissen entgegen. Fast drei Stunden ruderten die geübten Bootsleute gegen den ziemlich starken Strom, bis sie endlich ans rechte Ufer lenkten und die Kähne befestigten. Wieder wurden wir durch nicht mißzuverstehende Zeichen mit verschiedenen Klewangs, diesen breiten Schwertern, gezwungen, an Land zu steigen. Dann mußten wir eine Stunde lang an der Spitze des stillen, unheimlichen Zuges einen schmalen, gewundenen Dschungelpfad entlang schreiten, bis sich eine weite Lichtung vor uns auftat.
Eine große Anzahl plumper Laubhütten zeigte uns, daß wir hier gesuchte Sommerlager der Atjeher vor uns hatten.
Merkwürdigerweise konnten wir keine Frau im Lager entdecken, sondern nur schwerbewaffnete Krieger - die meisten sogar mit modernen Militärgewehren - ein Zeichen, daß Meerkerk mit der Vermutung des geheimen Waffentransportes doch recht gehabt hatte. Vor einer größeren Hütte inmitten der Lichtung drängten sich besonders viele Eingeborene, die bei unserer Annäherung eine Gasse bildeten und stumm auf den Eingang des lockeren Baues wiesen.
Dieser höflichen Einladung zum Nähertreten konnten wir uns schlecht entziehen. Als wir ins Innere der Hütte stolperten - denn es war ziemlich dunkel da drin -, fluchte eine verärgerte Stimme auf holländisch: „Geht zum Teufel, ihr Halunken, aber laßt uns in Ruhe. Ihr werdet schon sehen, was ihr von eurem dummen Aufstand habt."
„Oh, zum Teufel würde ich schon gern gehen", lachte Rolf, „das wäre doch einmal etwas anderes, und schlimmer als hier auf der Erde könnte es bei ihm auch kaum sein. Aber ich freue mich, die Herren getroffen zu haben. Mein Name ist Rolf Torring, und mein Begleiter ist mein Freund Hans Warren-Holm. Wir kommen aus Selimeum und zuletzt aus der neuen Ansiedlung, wollten Sie, meine Herren, vor dem drohenden Aufstand warnen und sind jetzt selbst hineingefallen. Aber ich hoffe, daß wir nicht lange in dieser Lage sein werden."
Nach kurzem, überraschtem Schweigen riefen vier Stimmen durcheinander. Und es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Herren so weit beruhigt hatten, daß sie sich jetzt nacheinander vorstellten. Es waren zwei Regierungsräte aus Kota-Radjah, ein Sekretär und der Zahlmeister aus der neuen Ansiedlung.
„Wir sind sehr schön hereingefallen", erzählte uns der älteste Regierungsrat, „als wir hier auf dieser Lichtung ankamen, machte unser Begleitpersonal sofort gemeinsame Sache mit den Atjehern, wir wurden entwaffnet und hier eingesperrt. Jeden Tag, ja jede Stunde erwarten wir, daß sie uns ermorden."
„Na, das werden sie jetzt sicher bleibenlassen", tröstete Rolf. „Ich glaube nicht, daß wir morgen früh noch gefangen sind. Ich habe wenigstens dieses bestimmte Gefühl, ohne es Ihnen
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