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Josef und Paul - Eine Landliebe nach Stundenplan (German Edition)

Josef und Paul - Eine Landliebe nach Stundenplan (German Edition)

Titel: Josef und Paul - Eine Landliebe nach Stundenplan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eden Bell
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I
    Human Nature
     
    1
     
    Das Leben macht keine Pause und man kann mit 32 noch keine Biographie verfassen. Dies sind die beiden Dinge, die mir heute Morgen beim Aufstehen durch den Kopf gegangen sind. Was ich jedoch tun möchte ist, für einen Moment innehalten und eine kleine Geschichte erzählen. Sie wird weder die Welt verändern noch einen Pulitzer-Preis gewinnen. Mein Name ist Paul und ich habe mir viel zu oft gewünscht, das Leben würde extra für mich einmal eine Pause machen. Eine erste Unterbrechung hätte ich mir im Jahre 1995 gewünscht…
      Ich war 16, als ich die erste Klasse der Landwirtschaftsschule in Schönberg besuchte. Der erste Schultag war ein kühler Montag im Spätsommer. Ich war mir nicht sicher, ob der Beruf eines Landwirtes das Richtige für mich sein würde, aber meine Eltern hatten entschieden. Mein älterer Bruder begann in diesem Herbst sein erstes Semester an der Universität in Graz. Sein Traum war es Arzt zu werden. Schön, alle Welt hatte Träume, nur ich durfte keine haben. Irgendjemand musste den Hof meiner Eltern übernehmen. Da ich mich nie wirklich für einen Berufswunsch entscheiden konnte, war ich sowieso die erste Wahl. Kurz und gut, ich wollte diese Schule nicht besuchen. Natürlich hatte ich oft in meiner Kindheit beim Füttern der Tiere geholfen, bei der Ernte, beim Ackerbau und bei Heuarbeiten, aber was mir fehlte war die Leidenschaft dafür. Vermutlich hatte ich auch einfach nur zu wenig Bezug zur Natur und ihrer Schönheit. Mit so gut wie keinen Erwartungen betrat ich an besagtem Montag das Gebäude. Nieselregen verwandelte die Glasscheiben der zahlreichen Fenster in verschwommene Stilblüten unbekannter Künstler. Ich kannte niemanden und wollte es auch dabei belassen. In meinem Rucksack befanden sich ein Collegeblock und ein paar Stifte. Am Gang duftete es nach Pflegemittel für Linoleumböden und verschiedenen Jausenbroten. Ich fand die mir zugeteilte Klasse schon nach wenigen Minuten. Ich beobachtete die anderen Schüler, die zu neunzig Prozent Jungs waren. Die ersten Stunden zogen sich dahin. Ich konnte weder an Tierhaltung oder Deutsch denken, hatte nur den neuesten Brad-Pitt-Streifen im Gedächtnis, „Legenden der Leidenschaft“. Ich hatte ihn vor einigen Wochen im Kino gesehen und mich zum zweiten Mal (nach „Interview mit einem Vampir“) in Brad Pitt verliebt. Ich träumte Tag und Nacht von diesem traumhaften Mann, seinen stählernen Muskeln und seinem makellosen Gesicht. Ich hatte noch keine Erfahrungen mit anderen Burschen gemacht. Es ist schwierig, Gleichgesinnte zu finden. Vor allem in einem kleinen Kaff am Land.
      In der vierten Unterrichtsstunde ereignete sich eine wichtige Begegnung, die meinem Leben eine neue Richtung gab. Wir hatten Wirtschaftskunde und der Lehrer, ein junger gutaussehender, muskulöser Mann, stellte sich uns als Herr Josef Lehner vor. Mir stockte der Atem, als er den Raum betrat. Er hatte eine lässige Art zu gehen. Seine Statur war von stolzer Größe, er hatte breite Schultern und das süßeste Lächeln seit James Dean. Seine dunkelblonden Haare waren  kurz geschnitten, mein großer Bruder Michael hätte es Bürstenschnitt genannt. Er hatte ein stattliches Gesicht mit strahlenden blauen Augen. Die Koteletten trug er sehr kurz. Er hatte Arme, die Bäume ausreißen hätten können. Er erklärte uns in den ersten paar Minuten, welche Utensilien wir für den Unterricht brauchten. Er nannte Schreibhefte und ein paar Bücher, deren Namen ich nicht einmal im Kurzzeitgedächtnis speichern konnte. Er sprach auch von einem Projekt, das bereits am Dienstag beginnen würde. Ich hing an jedem Wort, das er sagte. Er war wunderschön, einfach wunderschön. Er verriet uns, dass er 28 Jahre alt war. Die einzigen zwei Mädchen unserer Klasse, Martina und Sandra, schmachteten ihn an. Auch ich verfiel in eine Art Trancezustand, ließ es mir aber nicht anmerken.
      Für den Rest des Tages hieß mein neuer Traummann Josef. Ich wollte mich von ihm verführen lassen, wollte ihn küssen und den Rest meines Lebens mit ihm verbringen. In einem gelben Postautobus fuhr ich nach Hause, was nicht länger als 15 Minuten dauerte. Meine Eltern begleiteten mich nach Rognitz, wo wir die wichtigsten Schulsachen einkauften. Beim Schreibwarenhändler herrschte reges Treiben. Am Abend nahm ich noch zwei Wurstbrote zu mir, kickte im Hof ein paar Bälle ins provisorisch zusammengebastelte Fußballtor und schloss mich danach in mein Zimmer ein. Das Lied „Love

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