Rolf Torring 057 ~ Im australischen Busch
Vorteil für uns."
„Dieser alte Australneger, den wir in der Nacht beobachten konnten, hatte zwar den Oberkörper nackt," wandte ich ein, „auch trägt unser Pongo keine langen Haare und keinen Backenbart. Sie werden sich kaum täuschen lassen. Aber es ist insofern besser, wenn Pongo als erster hindurchgeht, daß wir das ganze Terrain beobachten und jede verdächtige Bewegung in den Büschen wahrnehmen können."
Pongo hatte sich schon an den Rand der Schlucht geschoben und blickte aufmerksam nach rechts und links. Dann glitt er, mit dem Kopf voran, eine schmale Rille hinunter, die wohl irgendein gewaltiger Regen in das Erdreich gerissen hatte. Im nächsten Augenblick war er schon in den nächsten Büschen verschwunden.
Ich lag neben Rolf und beobachtete die Schlucht nach der linken Seite, während Rolf es nach der rechten tat. Aber nichts war zu sehen oder zu hören. Die Schwarzen schienen tatsächlich fort zu sein. Wir blieben aber auf unserem Lauscherposten, bis wir Pongo am jenseitigen oberen Rande der Schlucht erscheinen sahen. Er winkte uns nur kurz zu, dann verschwand er in den Büschen.
Jetzt ließ sich Rolf in derselben Weise hinabgleiten, und ich folgte ihm nach kurzer Zeit. Unsere Rucksäcke waren zum Glück so klein und flach, daß sie uns gar nicht behinderten. Ich glitt unter den Zweigen eines Strauches hindurch und fand Halt auf einem mäßig großen Grasplatz, auf dem ich mich sofort erhob.
Pongos und Rolfs Spuren waren deutlich zu sehen und schnell folgte ich ihnen. Bald hatte ich auch Rolf eingeholt, und nach kurzer Zeit hatten wir gemeinsam den jenseitigen Abhang der Schlucht erklommen. Pongo war nicht zu sehen, doch als wir weiter in den Busch vordrangen, kam er uns nach wenigen Minuten entgegen.
„Kein Feind in der Nähe, Massers," meldete er.
„Nun, dann können wir ja flott ausschreiten," meinte Rolf. „Wenn wir uns kräftig ranhalten, erreichen wir vielleicht in der Nacht die Minen. Wir wollen uns aber stets so weit von der Straße halten, daß wir sie nur mit dem Fernglas beobachten können."
Bald hatten wir den dichteren Busch hinter uns und sahen vor uns eine weite Grassteppe, deren Halme fast meterhoch und stahlhart waren. Es war ein Glück für uns, daß wir unsere Gamaschen trugen, und auch Pongo hatte, dem Rat des Polizeiinspektors in Adelaide folgend, Wickelgamaschen angelegt.
Die erste Strecke, als wir den Busch verlassen hatten, war noch gefährlich; wenn die Schwarzen noch in den Büschen irgendwo versteckt lagen, mußten sie uns jetzt entdecken. Aber wir gingen weiter und weiter, und nichts rührte sich hinter uns.
"Sonderbar," meinte ich. „Die beiden Bärtigen müssen doch jetzt stets befürchten, daß wir auftauchen und sie des Mordes beschuldigen. Ich begreife nicht, daß die Buschleute nicht intensiver nach uns gesucht haben oder noch suchen."
"Sie werden ganz einfach sagen, daß wir dem Gemetzel ebenfalls entkommen sind, wenn sie uns nicht bereits, wie ich ja schon sagte, beschuldigt haben. Also brauchten sie in dieser Beziehung nichts zu befürchten."
Ich sah ein, daß Rolf völlig recht hatte. Und wenn wir nicht die Empfehlungsschreiben der beiden Polizeibehörden gehabt hätten, wären wir vielleicht selbst in eine böse Lage gekommen.
Wir marschierten unermüdlich durch das hohe Gras. Die Steppe wechselte manchmal mit einigen Streifen Buschwerk ab, und als wir den ersten Streifen hinter uns hatten, fühlten wir uns schon sicherer. Die gefährlichen Australneger waren auch hier nicht versteckt.
Den zweiten, ziemlich breiten Streifen erreichten wir nach zwei Stunden. Wir hatten beschlossen, nach seiner Durchsuchung und Durchquerung eine kurze Pause zu machen, um schnell zu essen. Buschleute konnten wir nicht entdecken, dafür hatte Pongo aber ein Abenteuer, das ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Zumindest aber hätte er sehr schwere Verletzungen erhalten, — wenn ihm nicht ein Retter erstanden wäre, den wir nie und nimmer hier vermutet hätten.
Sorgsam durchsuchten wir das Buschwerk, wobei wir uns natürlich sehr hüteten, irgendein Geräusch hervorzubringen. Und nur so konnte es geschehen, daß Pongo, der ungefähr zehn Meter vor uns ging, plötzlich auf ein Tier stieß, das es sich hinter einem niedrigen Busch bequem gemacht hatte. Und ehe unser treuer Gefährte sein Haimesser herausziehen konnte, hatte sich dieses Tier schon blitzschnell aufgerichtet und
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