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Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Titel: Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lloyd Alexander
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Der Findling
    ies erzählt man von Dallben, dem größten Zauberer von Prydain: wie drei schwarz gekleidete Hexen ihn, als er noch ein Säugling war, in einem Körbchen am Rande der Marschen von Morva fanden.
    »Oh, Orddu, schau mal hier!«, rief die, welche Orwen genannt wurde, und spähte in den Weidenkorb, der zwischen dem hohen Schilf trieb. »Das arme, verlorene Entlein! Es wird sich zu Tode erkälten! Was sollen wir mit ihm tun?«
    »Ein süßer Bissen!«, krächzte die mit Namen Orgoch. »Ein zartes Lämmchen. Ich weiß, was ich tun würde.«
    »Bitte sei still, Orgoch«, sagte die namens Orddu. »Du hattest schon dein Frühstück.« Orddu war eine kleine, dickliche Frau mit rundem Gesicht und messerscharfen schwarzen Augen. Juwelenbesetzte Nadeln glitzerten in ihrem Haar, das einem Bündel verblichenen Seegrases glich. »Wir können den Kleinen nicht hier lassen, wo er ganz nass wird. Ich schätze, wir werden ihn mit nach Hause nehmen müssen.«
    »O ja!«, rief Orwen aus und ließ ihre Kette aus milchweißen Perlen über die winzige Gestalt in dem Körbchen baumeln. »Ach, die kleine süße Kröte! Sieh nur seine roten Bäckchen und die molligen Fingerchen! Er lacht uns an, Orddu! Er winkt! Aber wie sollen wir ihn nennen? Er kann nicht nackt und namenlos bleiben.«
    »Wenn ihr mich fragt –«, begann Orgoch.
    »Keiner fragt dich«, beschied sie Orddu. »Du hast ganz recht, Orwen. Wir müssen ihm einen Namen geben. Wie sollen wir sonst wissen, wer er ist?«
    »Es liegen so viele Namen bei uns um die Hütte herum«, meinte Orwen. »Ein paar davon noch unbenutzt. Gib ihm einen neuen, frischen, einen ohne Falten.«
    »Es gibt da einen bezaubernden Namen, den ich mir für eine besondere Gelegenheit aufhob«, sagte Orddu, »Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich damit gemacht habe. Sei’s drum – sein Name: Dallben.«
    »Wunderbar!«, rief Orwen aus und klatschte in die Hände. »Oh, Orddu, du hast so einen guten Geschmack.«
    »Geschmack, ach was!«, schnaubte Orgoch. »Dallben? Warum ausgerechnet Dallben?«
    »Warum nicht?«, gab Orddu zurück. »Es ist ein guter Name. Sehr wohlklingend, sehr dauerhaft. Er sollte ihm ein Leben lang reichen.«
    »Er wird ihm reichen«, grummelte Orgoch, »solange er ihn braucht.«
    Und so erhielt Dallben seinen Namen und wurde von diesen drei aufgezogen und fand sein Zuhause in ihrer Hütte bei den Marschen von Morva. Unter ihrer Obhut wuchs er zu einem stattlichen, klugen und ansehnlichen Jungen heran. Er war freundlich und großherzig, und jeden Tag wurde er hübscher und glücklicher.
    Die Hexen verhehlten ihm nicht, dass er ein Findling war. Doch als er in das Alter kam, wo man sich über solche Dinge Gedanken macht, fragte er, woher er wirklich käme und wie der Rest der Welt wohl sei.
    »Mein liebes Küken«, antwortete Orddu, »woher du kommst, davon haben wir nicht die leiseste Ahnung. Und auch, wenn ich so sagen darf, nicht das geringste Interesse daran. Du bist jetzt hier bei uns, zu unserer Freude, und das genügt.«
    »Und was den Rest der Welt betrifft«, fügte Orwen hinzu, »zerbrich dir darüber nicht dein hübsches Lockenköpfchen. Die Welt macht sich auch nichts aus dir, da kannst du sicher sein. Sei froh, dass du gefunden wurdest, statt zu ertrinken. Stell dir vor, du wärest in diesem Augenblick Teil einer Schule von Fischen. Was für eine schlüpfrige, schuppige Art von Leben das wäre!«
    »Ich mag Fisch«, grummelte Orgoch. »Vor allem Aal.«
    »Sei still, Orgoch«, sagte Orddu. »Du denkst immer nur ans Essen.«
    Trotz seiner Neugierde sah Dallben ein, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu fragen. Und da er ein freundlicher und williger Junge war, ging er all seinen Pflichten mit Eifer und ohne Murren nach. Er hievte Eimer mit Wasser aus dem Brunnen, schürte das Feuer im Herd, betätigte die Blasebälge, kehrte die Asche aus und grub den Garten um. Keine Arbeit war ihm zu mühsam. Wenn Orddu spann, drehte er das Spinnrad. Er half Orwen, den Faden abzumessen, und hielt ihn für Orgoch, die ihn mit einer rostigen Schere in Stücke schnitt.
    Eines Tages, als die drei einen Trank aus Kräutern und Wurzeln brauten, wurde Dallben damit betraut, den riesigen, dampfenden Kessel mit einem langen eisernen Löffel umzurühren. Er beachtete die Warnung der Hexen, das Gebräu nicht zu kosten, doch bald begann der Trank so heftig zu brodeln, dass ein paar Tropfen herausspritzten und durch Zufall seine Finger trafen. Mit einem Aufschrei ließ Dallben den

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