Rom: Band 1
wahr?« fragte er Pierre. »Ich werde trachten, daß Sie in die Gärten hineinkommen.«
Unten im Vestibule, wo ein Thor auf eine breite Allee hinausging, begann er mit einem andern Wächter, einem ehemaligen päpstlichen Soldaten, den er speziell kannte, zu plaudern. Er ließ ihn sofort mit seinem Begleiter eintreten, konnte ihm aber nicht genau sagen, ob Monsignore Gamba del Zoppo an diesem Tage Seine Heiligkeit begleitete.
»Thut nichts,« fuhr Narcisse fort, als sich beide allein in der Allee befanden. »Ich gebe noch immer nicht die Hoffnung an eine glückliche Begegnung auf ... Und Sie sehen, hier sind Sie in den berühmten Gärten des Vatikans.«
Diese Gärten sind sehr groß. Der Papst kann, wenn er durch die Alleen und dann durch den Wein- und Gemüsegarten geht, vier Kilometer zurücklegen. Sie nehmen die Plattform des vatikanischen Hügels ein, der von allen Seiten von der antiken Mauer Leos IV. eingeschlossen wird. Dadurch werden sie wie auf dem Gipfel einer Festungsmauer von den benachbarten kleineren Thälern isolirt. Einst ging diese Mauer bis zur Engelsburg, und dort war die sogenannte Leostadt. Nichts beherrscht sie, kein neugieriger Blick vermag in sie zu dringen, ausgenommen vom Dom St. Peter; und nur sein ungeheurer Schatten fällt an brennend heißen Sommertagen hierher. Sie sind übrigens eine ganze Welt für sich, ein mannigfaltiges und vollständiges Ganze, das jeder Papst zu verschönern trachtete: Da ist zuerst ein großes geometrisches Rasenparterre, mit zwei schönen Palmen bepflanzt und mit Zitronen- und Orangenbäumen in Töpfen geschmückt; dann ein freier, schattiger Garten, wo sich zwischen tiefen Hagebuchenhainen der Aquilone, der Springbrunnen Giovanni Besanzios und das alte Kasino Pius IV. befinden; dann kommen die Gehölze mit den prächtigen Wintereichen, dem Hochwald von Platanen, Akazien und Pinien, die von breiten Alleen durchschnitten werden und für langsame Spaziergänge entzückend sind. Zuletzt gelangt man, wenn man sich nach links wendet, nach einigen anderen Baumgruppen zu dem Gemüsegarten und dem sehr gepflegten Weingarten.
Während sie durch das Gehölz dahinschritten, teilte Narcisse Pierre einige Einzelheiten über das Leben des heiligen Vaters in diesen Gärten mit. Wenn die Zeit es erlaubt, so geht er hier jeden zweiten Tag spazieren. Einst vertauschten die Päpste bereits vom Mai ab den Vatikan gegen den kühleren und gesünderen Quirinal; die größte Hitze verbrachten sie in Castel Gondolfo am Ufer des Albanosees. Heute hat der heilige Vater keine andere Sommerresidenz als einen noch so ziemlich erhaltenen Turm der alten Mauer Leos IV. Dort verlebt er die heißesten Tage. Er ließ sogar daneben eine Art Pavillon für sein Gefolge aufführen, um sich dort dauernd niederzulassen. Narcisse, der hier bekannt war, trat frei ein und konnte es durchsetzen, daß Pierre einen Blick in das einzige von Seiner Heiligkeit bewohnte Gemach werfen durfte. Es ist ein sehr großes, rundes Zimmer mit einer halbkugelförmigen Decke, auf der der Himmel mit den symbolischen Figuren der Gestirne gemalt ist. Eine davon, der Löwe, hat statt der Augen zwei Sterne, die durch ein eigenartiges Beleuchtungssystem des Nachts funkeln. Die Mauern sind so dick, daß man, indem man eines der Fenster vermauerte, in der Nische eine Art Zimmer herstellen konnte, wo sich ein Ruhebett befindet. Im übrigen besteht die Einrichtung nur aus einem großen Arbeitstische, einem kleineren, fliegenden Tisch zum Essen und einem großen, ganz vergoldeten, königlichen Lehnstuhl, ein Geschenk vom Bischofsjubiläum. Und man denkt an die einsamen, stillen Tage in diesem niedrigen Donjonsaal, der kühl wie eine Gruft ist, wenn die heiße Juli- und Augustsonne in der Ferne das vernichtete Rom verbrennt.
Dann noch weitere Einzelheiten. In einem andern Turm, der, überragt von einer kleinen, weißen Kuppel, zwischen dem Grün lag, war ein astronomisches Observatorium eingerichtet. Unter den Bäumen befand sich auch ein Lusthaus im Schweizer Stil, wo Leo XIII. sich gerne ausruht. Er geht manchmal zu Fuß bis zu dem Gemüsegarten und interessirt sich besonders für den Weingarten, den er häufig aufsucht, um zu sehen, ob die Trauben reifen, ob die Lese gut sein wird. Was den jungen Priester jedoch am meisten erstaunte, war die Mitteilung, daß der heilige Vater ein eifriger Jäger war, als das Alter ihn noch nicht geschwächt hatte. Er war ein leidenschaftlicher Freund des » roccolo «. Am Rande eines
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