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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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zu entscheiden, ob die neuen, nach Brüderlichkeit und Gerechtigkeit dürstenden Völker dort die von den Demokratien von morgen erwartete Religion finden würden; denn er wollte nicht nach dem ersten Eindruck urteilen. Aber wie lebhaft war dieser Eindruck, was für ein verhängnisvoller Beginn für seinen Traum! Eine Bronzethür – ja, es war eine harte, unbezwingliche Thür, die den Vatikan mit ihren Brettern vermauerte und so standhaft von der übrigen Erde trennte, daß seit drei Jahrhunderten nichts mehr hindurch konnte. Eben hatte er gesehen, wie dahinter die ehemaligen Jahrhunderte – bis ins sechzehnte Jahrhundert – unveränderlich auferstanden. Die Zeit schien dort für immer still zu stehen, nichts rührte sich mehr; selbst die Tracht der Schweizer Garden, der Nobelgarden, der Prälaten hatte sich nicht verändert. Die Welt dort war ganz dieselbe wie vor drei Jahrhunderten – dieselbe Etikette, dieselben Kleider, dieselben Gedanken. Wenn sich auch die Päpste in stolzem Trutze seit fünfundzwanzig Jahren in ihrem Palaste einschlossen, so schrieb sich das Einschließen in der Vergangenheit, in der Überlieferung doch von viel früher her und stellte eine in anderer Weise ernste Gefahr dar. Schließlich hatte sich der ganze Katholizismus gleich ihnen eingesperrt, steifte auf seine Dogmen und stand nur noch dank der Kraft seiner ungeheuren hierarchischen Organisation so unbeweglich fest. Der Katholizismus konnte also trotz seiner scheinbaren Geschmeidigkeit in nichts nachgeben, weil er in Gefahr stand, umgestürzt zu werden? Und dann – was für eine schreckliche Welt voll Stolz, voller Ehrgeiz, voll Haß und Kampf! Welch seltsames Gefängnis war das, welche Annäherungen fanden hinter Schloß und Riegel statt: Christus in Gesellschaft des Jupiter Capitolinus, das ganze heidnische Altertum mit den Aposteln verbrüdert, der Hirte des Evangeliums, der im Namen der Armen und Einfältigen herrscht, umgeben von der ganzen Pracht der Renaissance! Auf dem Platze von St. Peter ging die Sonne unter, die sanfte Wollust der römischen Nacht senkte sich von dem reinen Himmel herab. Und dieser schöne, bei Michel Angelo, Raffael, den Antiken und dem Papste in dem größten Palaste der Welt verbrachte Tag ließ den jungen Priester ganz bestürzt zurück.
    »Und nun, mein lieber Abbé, entschuldigen Sie,« schloß Narcisse. »Ich gestehe Ihnen jetzt, ich habe meinen wackeren Vetter im Verdacht, daß er sich mit Ihrer Angelegenheit nicht kompromittiren will ... Ich werde ihn noch sehen, aber Sie thäten gut daran, nicht mehr zu viel auf ihn zu rechnen.«
    Es war beinahe sechs Uhr, als Pierre in den Palazzo Boccanera zurückkehrte. Gewöhnlich ging er bescheiden durch das Gäßchen und durch die Thüre zur kleinen Treppe, zu der er einen Schlüssel besaß. Aber er hatte am Morgen einen Brief des Vicomte Philibert de la Choue erhalten, den er Benedetta mitteilen wollte, und darum ging er die große Treppe hinan. Er war erstaunt, daß im Vorzimmer niemand zu sehen war. An gewöhnlichen Tagen pflegte sich, wenn der Bediente ausgehen mußte, Victorine dort niederzulassen und gemütlich an irgend einer Nähterei zu arbeiten. Ihr Stuhl stand auch da, er sah sogar auf die Tische, die Wäsche, die sie dort liegen gelassen hatte; aber offenbar war sie fortgegangen. Er erlaubte sich, in den ersten Salon zu treten. Es war darin schon fast Nacht, die Dämmerung erlosch mit ersterbender Milde; aber der Priester blieb betroffen stehen und wagte sich nicht weiter vor, da er aus dem Nebensalon, dem großen, gelben Salon ein wirres Stimmengeräusch, ein Rascheln, Stoßen, einen Kampf hörte. Zuerst ertönte inniges Flehen, dann gieriges Murren. Plötzlich zögerte er nicht mehr; wider seinen Willen riß es ihn fort, denn er war überzeugt, daß jemand sich in diesem Zimmer wehre und im Begriffe war, zu erliegen.
    Als er hineinstürzte, sah er zu seiner Verblüffung Dario – toll, in einem Ausbruch wilden Verlangens, in dem das ganze zügellose Blut der Boccaneras wieder zum Vorschein kam, trotz der eleganten Erschöpfung der endenden Rasse. Er hielt Benedetta bei den Schultern, hatte sie auf ein Kanapee niedergeworfen und begehrte sie, indem er ihr mit dem heißen Hauch seiner Worte das Gesicht versengte.
    »Um Gottes willen. Liebste ... Um Gottes willen, wenn Du nicht willst, daß ich sterbe und daß Du stirbst ... Du sagst es doch selbst ... es ist aus, die Heirat wird nie gelöst werden ... o, laß uns nicht noch unglücklicher sein,

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