Roman
weißt du. Vor allem, wo ich doch so eine ausgesprochen vernünftige, besonnene und erwachsene Person bin.«
Lexi betrachtet mich in meinem Brautkleid.
»Ja, genau!« Sie lacht. »Ich dachte immer, das wärst du. Doch jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
Es entsteht eine Pause.
»Jedenfalls«, sage ich schließlich und lege meine Hand auf ihr Knie, »werden wir das hinkriegen, okay? Wir beide, was immer es auch ist, wir bringen dich wieder auf Kurs.«
»Okay.« Sie schnieft. »Danke. Du bist sehr nett zu mir.«
»Oh, ich weiß, meine Güte kennt keine Grenzen.«
»Mit mir kommt schon alles wieder in Ordnung«, versichert sie. »Ich brauche einfach ein bisschen Abstand von Doncaster und, um ehrlich zu sein, ein bisschen Zeit für mich.«
Dann lehnt sie den Kopf gegen die Heizung und betrachtet mich mit vom Weinen immer noch ganz glasigen dunklen Augen.
»Und weißt du was?«, fragt sie und streichelt abwesend über den Stoff meines Brautkleides. »Es ist in Ordnung, verlassen zu werden. Wir werden alle verlassen. Auch Carly ist gerade verlassen worden, also macht dich das noch lange nicht zu einem Freak.«
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
***
Erst als Lexi im Bett liegt, tue ich das, was ich schon den ganzen Tag tun will. Ich lehne mich gegen mein Kopfkissen, hole mein Notizbuch – das perfekt ist mit seinen hübschen Streifen und dem harten Umschlag – aus meiner Nachttischschublade und fange an, neue Punkte aufzulisten.
Erledigen:
NICHT SO WICHTIG
• Etwas mit Quinoa kochen
• Augenbrauen zupfen
• Das Gästezimmer streichen
• Die Fotoalben sortieren (Fotoecken kaufen)
• Den tropfenden Wasserhahn reparieren
• Zu mehr lokalen Kulturveranstaltungen gehen. Kommendes Wochenende: Installation eines interessant klingenden deutschen Künstlers in der Pump House Gallery. (Kommt Toby mit? Unmöglich. Shona und Paul? Möglich. Martin? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Rufe ihn morgen an.)
• Lernen, wie man den iPod benutzt, den ich schon seit Weihnachten habe. Tu es einfach!!!
• 3 x 12 Kniebeugen und 3 x 12 Sit-ups vor dem Schlafengehen (morgen damit anfangen)
WICHTIG
• Jedes Wochenende mindestens zwei Stunden Büroarbeit erledigen. Keine Ausreden!
• Jeden Tag etwas für mich selbst tun, um Stress abzubauen, selbst wenn es nur zehn Minuten Atmen sind (nur das, und zwar konzentriert, nicht nur Atmen-Atmen)
• Arbeit: einen Gang höher schalten. Zwei neue Verträge pro Woche mit neuen Klienten abschließen.
• SO SCHNELL WIE MÖGLICH HerausFINDEN, WAS MIT LEXI LOS IST !!!
• Die Sache in Ordnung bringen. Und sie dann so schnell wie möglich wieder nach Doncaster zurückschicken.
Das Letzte war nur ein Scherz … irgendwie.
2
Ich sollte erklären, dass ich, wenn ich »Schwester« sage, eigentlich Halbschwester meine. Lexi wurde geboren, als ich fünfzehn war – was bedeutet, dass sie jetzt siebzehn ist –, ungefähr sieben Monate, nachdem mein Dad mit Cassandra zusammengezogen war, was bedeutet, dass er sie geschwängert hat, während er noch mit Mum zusammenlebte. Meine Mutter hat mich das nie vergessen lassen.
Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem Lexi geboren wurde – der 12. September 1991. Es war ein Donnerstagmorgen, ein Schulmorgen, und Mum füllte gerade die Waschmaschine mit einer Ladung Wäsche. Mum füllte damals immer die Waschmaschine mit Wäsche, vor allem, nachdem Dad uns verlassen hatte. Es war lächerlich: Sie stopfte sie entweder in die Maschine oder hängte sie auf die Leine, wie bei einem verrückten nervösen Tick, den sie – wie mir jetzt klar wird – eindeutig auch hatte.
Sie hielt den Hintern in die Luft gestreckt und trug eine türkisfarbene Jogginghose, die Dad die Entscheidung, uns zu verlassen, nicht schwerer gemacht haben dürfte, so viel steht fest!
»Dein Vater hat seine zweite Tochter bekommen«, verkündete sie. »Möge Gott ihr beistehen, Caroline, bei zwei so verrückten Elternteilen! Alexis Simone haben sie sie genannt, das arme kleine Ding. Das war sicher die Idee von diesem Teufelsweib.«
»Teufelsweib« war die Bezeichnung, die in unserem Haus für Cassandra verwendet wurde, was ich – obwohl ich erst fünfzehn und gerade von meinem Vater verlassen worden war – ein bisschen hart fand. Aber was wusste ich schon? Mum ist eine Frau, für die alles schwarz-weiß ist. Liebe oder Hass, dazwischen gibt es bei ihr nichts.
Ich weiß noch, dass ich sofort einen eifersüchtigen Stich
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