Roman
a Battlefield aus der Stereoanlage dröhnte, fand ich, dass ich das alles ganz elegant bewältigte. Es war nur schade, dass mein Brautkleid eine fast anderthalb Meter lange Schleppe hatte, denn so konnte ich nicht behaupten, es wäre ein Abendkleid. Aber es wurde ja, wie ich schon sagte, auch alles dadurch schlimmer, dass ich betrunken war – und das mitten am Nachmittag.
»Wie lange willst du denn bleiben?« Wir stehen jetzt in meiner Küche, und ich versuche, so fröhlich wie möglich zu klingen.
Lexi lehnt am Türrahmen und blickt sich um.
»Äh, na ja, ich dachte, vielleicht für die Sommerferien …?«, fragt sie hoffnungsvoll.
Die Sommerferien? Ich muss beinahe würgen.
»Was? Du meinst, den ganzen Sommer?«
»Äh, ja.« Sie lächelt. Sie hat immer noch den gleichen kleinen Schmollmund wie als Baby. Rosig und engelsgleich. Ein echter Drew-Barrymore-Mund. »Wieso? Willst du irgendwo hin?«
»Nein.«
»Cool«, sagt sie fröhlich, als wäre damit alles geklärt.
Sie setzt sich an den Küchentisch und bedient sich an der Schale mit Pistazien. In mir beginnt Panik aufzusteigen – das kommt alles ein bisschen plötzlich, oder? Ein bisschen unerwartet. Sie ist jetzt seit einer halben Stunde da, und ich habe nicht das Gefühl, dass wir schon zu dem eigentlichen Grund für ihr Hiersein vorgedrungen sind.
»Hör zu, Lexi …«, beginne ich sanft. Sie sieht mich mit ihren großen braunen Augen an – es liegt etwas Hoffnungsvolles darin, etwas Unschuldiges und Vertrauensseliges, und ich fühle mich jetzt schon schlecht. »Von mir aus kannst du gerne eine Weile bleiben, aber du verstehst doch sicher, dass ich einen Job habe, einen wirklich anstrengenden Job. Ich bin den ganzen Tag nicht da …«
»Ich kann mich gut allein beschäftigen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Ich bin es gewöhnt, mich um mich selbst zu kümmern.«
Das ist es ja, was mir Sorgen macht.
»Ich habe oft auch noch abends geschäftliche Termine.«
»Echt? Cool. Vielleicht könnte ich ja zu ein paar davon mitkommen?«
Ich seufze. Mein Magen zieht sich zusammen wie ein Weichtier in seiner Schale.
»Oder dir bei deinem Job helfen? Ich habe nämlich beschlossen, dass ich arbeiten gehen will – die Schule ist nichts für mich. Eigentlich dachte ich – weil ich doch Schuhe so liebe, wirklich eine echte Leidenschaft für sie habe –, ich könnte Schuhdesignerin werden. Ich könnte hier die Schuhe entwerfen, ich meine, so richtig abgefahrene Modelle, viel besser als das, was man in den Läden so sieht«, fährt sie mit ihrem breiten Yorkshire-Akzent fort. Meinen hört man schon fast nicht mehr, nachdem mir mal jemand gesagt hat, ich würde klingen wie der Kricket-Kommentator Geoff Boycott. »Ich könnte sie zeichnen – Kunst ist mein bestes Fach – und dann die Entwürfe nach China schicken, wo ein Team von Leuten sie herstellt und dann hierherschickt.«
Sie sieht mich an, als wenn sie sagen wollte: »Bin ich ein Genie, oder was?«, und eine merkwürdige Übelkeit steigt in mir auf, als wäre das alles schon viel zu surreal, als dass ich noch damit fertigwerden könnte. Zum Glück erklingt dann ein Geräusch wie das Brüllen eines Löwen. Ihr Handy. Schon wieder.
Sie geht dran. »Jo.«
Das hat sie auch beim letzten Anruf gesagt, also nehme ich an, es ist die gleiche Person.
»Ja, ja, ich bin jetzt da.« Pause. »Ja, sie ist cool. Ja, ich denke schon …« Sie sieht mich an und verzieht entschuldigend das Gesicht – also hat sie eindeutig demjenigen am anderen Ende der Leitung von ihrem Plan erzählt, hierherzukommen und mich zu überraschen. Nur mir nicht.
Ihre Stimme wird leiser.
»Ja, ich weiß, Carls, ich weiß. Ich spreche irgendwann mit ihm.«
Also Stress mit dem Freund?
Sie verdreht die Augen und macht das Bla-bla-bla-Zeichen mit der Hand. Es folgen eine lange Pause, dann ein Keuchen und ein »Das ist ein Scherz!«, dann ein noch lauteres Keuchen und ein »Was? Und das bleibt jetzt echt so?«
Nach ungefähr fünf Sekunden – und ohne dass ich eine Verabschiedung hätte erkennen können – legt sie auf.
»Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?«
»Oh ja«, versichert sie und zerbeißt eine Pistazie mit den Zähnen, »meine Freundin Carly hat sich nur die Haare gefärbt, und das ist total schiefgegangen.«
Wir sitzen am Küchentisch, ich immer noch im Brautkleid und mit einem beginnenden Kater.
»Hör zu, Schatz, wegen dieser Sache mit der Schule … Weiß Dad, dass du nicht vorhast, nach den Ferien wieder
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