Roman

weil du in Lebensgefahr gewesen bist?«
    »Komm mit.« Ich habe den Scheck und den Brief meines Vaters in der Hand, als ich Shane hinter mir her ins Badezimmer ziehe. Ich greife nach dem Streichholzbriefchen, das neben der Kerze mit Erdbeeraroma liegt.
    »Nein!« Shane nimmt mir den Brief meines Vaters weg und steckt ihn in die Tasche seines Flanellhemdes. »Eines Tages wünschst du dir vielleicht, du hättest diesen Brief noch.«
    Ich nicke und frage mich, ob ich es eines Tages leid sein werde, dass er immer Recht hat.
    Ich klappe das Streichholzbriefchen auf. Meine Hände sind schweißnass, und dementsprechend schlecht eignen sich meine Finger dazu, etwas festzuhalten. Es ist sogar schwierig das Streichholzbriefchen zu halten, während ich versuche ein Streichholz anzuzünden. Es gelingt dennoch.
    Ich lege den Scheck ins Waschbecken. Das ist der Moment, in dem ich nicht mehr weitermachen kann. Die Flamme frisst sich das dünne Streichholz herunter, sodass ich mir die Finger verbrenne. Ich lasse es fallen, und es landet noch rauchend auf dem Rand des Waschbeckens. Shane wartet geduldig.
    Beim zweiten Streichholz geht mir alles bereits leichter von der Hand. Meine Hände zittern nicht mehr. Sie sind sogar so ruhig, dass sie erstarren, als es Zeit wird, das Streichholz fallen zu lassen und den Scheck zu entzünden. Stattdessen zünde ich die Kerze an. Die vielen Nullen nehmen meinen Blick gefangen.
    »Geld bedeutet Freiheit«, erkläre ich Shanes Spiegelbild. »Dieses Geld ist der Betrug, der alle anderen Betrügereien unnötig macht. Mit zehn Millionen Dollar könnte ich für den Rest meines Lebens ehrbar bleiben.«
    Shane verzieht das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Zum Glück kostet es nichts, böse zu sein, und darin bist du besser.« Seine Fingerspitzen streichen über meine Schulterblätter. »Mach Schluss mit dem Theater und verbrenn das Ding endlich.«
    »Okay, okay.« Als Nirvanas Song About A Girl in die letzte Strophe geht, zünde ich das dritte Streichholz an der Kerzenflamme an. In der einen Hand halte ich das Streichholz, in die andere nehme ich den Scheck.
    Ich fühle mich an der Grenze zu einer Freiheit, die ich mir selbst mit zehn Millionen Dollar nicht erkaufen könnte. Aber wer weiß? Vielleicht können minus zehn Millionen Dollar sie mir erkaufen. Ein geringer Preis, um sich von einem Fluch zu befreien.
    Flamme und Streichholz treffen auf Papier. Es fängt in allen Farben des Sonnenaufgangs Feuer. Die Menge applaudiert.

Über die Autorin
    Jeri Smith-Ready ist Autorin von Urban Fantasy und Romantic Fantasy. Wenn sie gerade nicht schreibt, findet man sie bei Twitter – oder beim Nachdenken übers Schreiben. VAMPIRE SOULS – NACHTRAUSCH ist der erste Teil ihrer Urban-Fantasy-Serie über den Vampir-Radiosender WVMP . Smith-Ready lebt mit ihrem Ehemann, mit zwei Katzen und ihrem Windhund in Maryland.