TIFFANY EXKLUSIV Band 05
1. KAPITEL
Das Einzige, was Pete Beckett an Prudence Trueheart mochte, war die Art, wie sie sich bewegte.
Pete stützte sich auf die niedrige Trennwand des Redaktionsraums, genannt „Stierkoppel“, und legte das Kinn auf die Hände. Um ihn herum beeilten sich die Mitarbeiter der Sportredaktion des „Herald“. Sie mussten Abgabetermine einhalten und tippten hektisch auf die Tastaturen der Computer.
Pete hatte seine Kolumne schon früher abgegeben, weil sie auch bei anderen Zeitungen erschien. Da er für morgen noch kein Thema gefunden hatte, konnte er in aller Ruhe die steife und verkrampfte Prudence Trueheart betrachten, die für den „Herald“ eine Benimm-Kolumne schrieb.
Wie immer trug sie ein makelloses Kostüm mit einer blütenweißen, gestärkten Bluse. Passend zur Kleidung hätte man einen straff durchgedrückten Rücken und einen strammen Gang erwartet, hart klickende Absätze und einen verkniffenen Mund.
Aber Prudence besaß einen anmutigen Gang mit sanftem Hüftschwung. Der Hals war schlank, das Kinn hochgereckt, und auch ihre Arme bewegten sich graziös. Die schlanken Hände hatten zartrosa lackierte Fingernägel.
Und erst ihr Mund! Die Lippen stellten die reinste Versuchung dar, und man konnte sich gar nicht vorstellen, dass auch nur ein missbilligendes Wort über sie kam.
Mochte Prudence Trueheart sich noch so sehr bemühen, wie eine strenge Lehrerin auszusehen, Pete hätte ihr trotzdem am liebsten sämtliche Nadeln aus dem Nackenknoten gezogen, zu dem sie ihr honigblondes Haar zusammengenommen hatte. Er hätte sie auch gern in die Arme gezogen und geküsst.
„Auch wenn du versuchst, Prudence mit dem bösen Blick zu verhexen, bekommst du nicht das begehrte Eckbüro.“
Pete drehte sich zu Sam Kiley um, der den Blick auf dasselbe Ziel gerichtet hatte. „Hast du dich schon mal gefragt, wie sie außerhalb des Büros ist?“, fragte Pete. „Ich meine, schläft sie auch in diesen Kostümen? Und ist der straffe Nackenknoten mittlerweile festgewachsen, oder trägt sie das Haar zu Hause offen?“
Prudence verschwand in ihrem Büro, und Pete reckte den Hals, um einen Blick durch die geöffnete Tür zu werfen. Dieser Widerspruch war für ihn ein Rätsel. Wie konnte eine so sinnliche Frau mit einer so weiblichen Ausstrahlung so unangenehm sein? Die Frage bewegte ihn schon lange, und er hätte gern eine Antwort darauf gefunden. Allerdings wollte er nicht nahe genug an die pingelige Prudence herankommen, um das Rätsel zu lösen.
„Wenn du wirklich so neugierig bist, könnte ich Ellie fragen“, bot Sam an.
Ellie, geborene Ellen Wilson, war Sam Kileys Frau und Vertriebsleiterin des „Herald“. Außerdem war sie Prudence Truehearts beste Freundin. Ellie und Sam hatten einander bei der Zeitung kennengelernt und erst vor einem Jahr geheiratet.
„Ich bin nicht neugierig“, log Pete, stieß sich von der Trennwand ab und lachte trocken. „Wieso sollte ich neugierig sein, was Prudence Trueheart angeht?“
„Sie hat auch einen richtigen Namen“, bemerkte Sam.
„Pierce“, erwiderte Pete. „Laura … oder Nora? Vielleicht auch Nola. Im Lauf der Jahre haben wir ein paar Mal miteinander gesprochen. Einmal stand ich auf ihrem Parkplatz. Bei einer anderen Gelegenheit behauptete sie, ich hätte ihren Heftapparat gestohlen. Bei einer Weihnachtsfeier gab ich ihr sogar einen Kuss. Außerdem bin ich wahrscheinlich der Einzige in der Sportredaktion, der ihre kleinen Memos liest – bevor ich sie von der Tür des Kühlschranks entferne.“
Prudence war neben Pete die Einzige, deren Kolumne nicht nur beim „San Francisco Herald“, sondern auch bei anderen Blättern erschien. Ihr Büro lag zufällig in der Sportredaktion. Demnächst würde ein großes Eckbüro am anderen Ende der Etage frei werden. Sie wollten es beide haben.
Vermutlich hätte man in der Gesellschaftsredaktion mehr Verständnis für ihre Memos gehabt. Aber es war unmöglich, raue Sportreporter und wilde Fotografen zu höflichen Kollegen zu erziehen. Trotzdem versuchte sie es immer wieder. Jeden Monat hinterließ sie im Pausenraum ein neues Memo über das Benehmen im Büro. Das reichte von der Hygiene im Kühlschrank bis zu Vorschriften für die Kaffeemaschine. Es gab einfach keine Regel, die Prudence Trueheart nicht durchsetzen wollte.
Das Großraumbüro der Sportredaktion wurde jedoch nicht grundlos „Stierkoppel“ genannt. Hier tummelten sich nicht nur Männer, die stur wie Stiere waren. Männliche und weibliche Sportreporter und
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