Romana Exklusiv 0197
nicht mehr ärgerlich und arrogant, sondern lachte aus vollem Halse. Zu ihrer eigenen Überraschung stimmte sie in sein Lachen ein. Die ganze Situation war irgendwie völlig verrückt.
„Um wie viel Uhr fahren wir los?“, fragte Lysan.
Er schaute sie an und wurde wieder ernst. „Um halb zehn?“
„Ja, okay.“ Sie stand auf. Enrico erhob sich ebenfalls, und als er ihr in die Augen sah, klopfte ihr das Herz zum Zerspringen. „Dann … bis morgen früh.“ Sie bemühte sich, möglichst unbeteiligt zu klingen, und eilte aus dem Raum.
Erst später, auf ihrem Zimmer, gestand sie sich ein, dass sie ihren Plan aufgegeben hatte, am nächsten Tag ins Hotel zu ziehen, obwohl sie zuvor so sicher gewesen war, dass dies ihre letzte Nacht in diesem Haus sein würde.
Lysan war verwirrt und verblüfft über ihre Unentschlossenheit und ließ sich in den Sessel sinken. Sie musste unbedingt mit sich selbst ins Reine kommen und herausfinden, was mit ihr los war. Doch noch während sie überlegte, dass die Situation langsam lächerlich wurde, beschäftigte sie sich in Gedanken bereits mit der Frage, was sie für den Ausflug anziehen sollte – als hätte sie keine anderen Probleme!
Ich hätte meinen Entschluss viel bestimmter und nachdrücklicher vorbringen müssen, dachte sie am nächsten Morgen. Aber wie hätte sie es anstellen sollen? Erst hatte Enrico total verärgert und arrogant reagiert, und dann hatten sie beide laut gelacht. Lysan zog eine elegante Sommerhose, eine kurzärmelige Seidenbluse und einen Leinenblazer an und ging ins Frühstückszimmer. Das Haar trug sie offen, es fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern.
„Sie sehen einfach fantastisch aus!“, rief Gabina sogleich.
„Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte. Enrico will mit mir …“
„Ja, er hat es mir gesagt. Es ist genau das richtige Outfit“, versicherte Gabina.
Nach dem Frühstück leistete sie Lysan Gesellschaft, bis Enrico pünktlich um halb zehn auftauchte.
Er begrüßte sie beide und musterte Lysan von oben bis unten. Sie glaubte, so etwas wie Bewunderung in seinem Blick zu erkennen, was ihr Selbstbewusstsein etwas stärkte, denn seine Gegenwart machte sie nervös und unsicher.
„Sind Sie fertig, Lysan?“ Seine Stimme klang sanft, und an seine Schwägerin gewandt, fügte er höflich hinzu: „Willst du wirklich nicht mitkommen, Gabina?“ Offenbar hatten die beiden darüber geredet.
Gabina erklärte, sie habe etwas anderes vor. Lysan verabschiedete sich von ihr und ging mit Enrico zum Wagen. Sie überlegte, warum er Gabina hatte mitnehmen wollen. Vielleicht um sich nicht selbst den ganzen Tag mit ihr, Lysan, unterhalten zu müssen?
Hör auf mit dem Unsinn!, mahnte sie sich ungeduldig und ärgerte sich über sich selbst und die tausend Bedenken, die ihr im Zusammenhang mit Enrico immer wieder kamen. So unsicher hatte sie sich noch nie im Leben gefühlt.
„Wollen Sie immer noch mit mir nach Viña del Mar fahren, Señor?“, fragte sie unvermittelt und ohne nachzudenken.
Enrico, der gerade den Motor anlassen wollte, zog die Hand vom Zündschlüssel zurück. Er drehte sich zu Lysan um und schaute sie erstaunt an. Sekundenlang betrachtete er schweigend ihre herausfordernde Miene. „Habe ich Sie durch irgendetwas zu der provozierenden Äußerung veranlasst?“, erkundigte er sich schließlich ruhig und leicht spöttisch.
Lysan hätte am liebsten laut gelacht und wunderte sich wieder einmal über ihre seltsamen Reaktionen. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich höflich. „Ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht, was die Frage soll. Vielleicht bringt mich der herrliche Sonnenschein ganz durcheinander. Im Dezember bin ich so schönes Wetter nicht gewohnt.“
Er betrachtete sie so forschend, dass sie eine Gänsehaut bekam. Dann sagte er leise etwas vor sich hin, das sie nicht verstand, ließ den Motor an und fuhr los.
Viña del Mar war ziemlich weit von Enricos Weingut entfernt. Lysan genoss die Fahrt, es war ein herrlicher Tag. Sie war bester Laune und unterhielt sich angeregt mit Enrico, der sich als charmanter Begleiter erwies.
Er hatte es nicht eilig und wies sie immer wieder auf die Schönheit der Landschaft hin. Sie war entzückt über die vielen Akazien- und Avocadobäume und die in allen Farben blühenden Blumen.
Am Ortseingang von Viña del Mar bot sich ihnen ein einmaliger Anblick. Ein Meer von purpurroten Bougainvilleen bedeckte die weiß getünchten Mauern eines Hauses.
„Wie im Märchen“, meinte Lysan
Weitere Kostenlose Bücher