Romana Exklusiv 0197
„Señorita“ an?
Lysan ärgerte sich immer mehr. Zum Teufel mit ihm, ich habe nichts falsch gemacht, sagte sie sich. Nachdem er den Wagen vor dem Haus geparkt hatte, stieg sie rasch aus, damit er nicht auf die Idee kam, ihr in sonst gewohnter Weise die Tür aufhalten zu müssen. „Vielen Dank für den angenehmen Nachmittag“, bedankte sie sich steif, aber höflich. Enrico nickte kurz und ließ sie allein ins Haus gehen.
Wütend eilte Lysan auf ihr Zimmer. Er ist wirklich ein unmöglicher Kerl, ging es ihr durch den Kopf. Sie würde lieber verhungern, als sich zum Abendessen mit ihm an den Tisch zu setzen. Doch eine halbe Stunde später war ihr Ärger schon wieder fast verflogen, und ihr wurde bewusst, dass sie sich zunehmend auf das gemeinsame Dinner freute. Vergiss den Unsinn, mahnte sie sich sogleich und versuchte, die Gedanken an Enrico zu verdrängen.
Sie duschte und zog sich um, denn solange sie sein Gast war, wollte sie sich an die gesellschaftlichen Konventionen halten. Offenbar bereute er es, sie in die Arme genommen zu haben, obwohl es kaum eine andere Möglichkeit gegeben hatte, sie am Hinfallen zu hindern. Aber wenn er das Gefühl hatte, sie hätte die kleine Geste falsch interpretiert und er müsse ihr jetzt beweisen, wie sehr sie sich irrte, würde sie ihm zeigen, dass sie von ihm und der flüchtigen Umarmung völlig unbeeindruckt war. Eine Chance dazu würde sich bestimmt bieten.
„Bin ich zu früh dran?“, fragte Lysan, als sie im Wohnzimmer nur Gabina und Celso antraf.
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete Celso. „Möchten Sie einen Martini?“
„Ja, gern.“
„Hatten Sie einen schönen Nachmittag?“, erkundigte Gabina sich, während ihr Mann Lysan den Drink einschenkte und ihn ihr anschließend reichte.
„Ja, es war sehr schön. Wir …“ Lysan verstummte und drehte sich um, als hinter ihr die Tür geöffnet wurde. Und dann verspürte sie ein Gefühl, das ihr völlig unbekannt war, denn Enrico kam nicht allein, sondern mit einer unglaublich attraktiven Frau am Arm.
„Ondina, ich möchte dir Miss Lysan Hadley vorstellen, unseren Gast aus England. Lysan, das ist meine … Freundin, Señorita Ondina Alvarez.“
Lysan war sein kurzes Zögern nicht entgangen. Die Frau war bestimmt seine Geliebte. Lysan war so frustriert, dass sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verabreicht hätte und der Frau auch gleich eine. Du liebe Zeit, ich weiß wirklich nicht, was mit mir los ist, überlegte sie bestürzt. Irgendwie gelang es ihr, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und der dunkelhaarigen Schönheit die Hand zu reichen.
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie höflich und versuchte, Ondina zu mögen.
Diese lächelte sie strahlend an. „Freut mich auch“, erwiderte sie. Dann wandte sie sich wieder an Enrico und beanspruchte ihn den ganzen Abend für sich.
Das kann mir nur recht sein, dann brauche ich mich wenigstens nicht mit ihm zu unterhalten, dachte Lysan gereizt. Sie plauderte betont munter mit Gabina und Celso, aber nach dem Dinner entschuldigte sie sich höflich und ging ins Bett. Das Erscheinen von Ondina hatte sie völlig verwirrt.
Später hörte sie Enrico wegfahren und vermutete, dass er Ondina nach Hause brachte. Sie lag stundenlang wach und wartete auf das Geräusch seines Wagens, aber er kam nicht zurück. Wohnte Ondina etwa so weit entfernt? Oder blieb er die ganze Nacht bei ihr?
Ach, was soll’s, sagte Lysan sich schließlich und zog die Bettdecke über den Kopf. Sie war völlig durcheinander und verstand sich selbst nicht mehr.
3. KAPITEL
Es ist mir völlig egal, ob und wann Enrico gestern Abend nach Hause gekommen ist, redete Lysan sich ein, als sie am nächsten Morgen die Treppe hinunterging.
Er war nirgends zu sehen, nur Gabina saß im Frühstückszimmer und begrüßte sie freundlich. „Wenn Sie Lust haben, gehen wir heute einkaufen.“
„Ja, gern“, antwortete Lysan.
Während der folgenden Tage wurde ihr bewusst, dass Enrico recht gehabt hatte mit der Behauptung, seiner Schwägerin würde die Zeit mit ihr, Lysan, wie Urlaub vorkommen. Gabina war unermüdlich. Jeden Tag fuhr sie mit ihr in die City von Santiago, und nachdem sie den Wagen geparkt hatte, begann der Bummel durch Cafes und Boutiquen. Mittags saßen sie zum Lunch in irgendeinem gemütlichen Restaurant, anschließend ging es weiter durch exklusive Läden. Zum Abschluss setzten sie sich noch einmal in ein Cafe und tranken Tee. Erst am späten Nachmittag fuhren sie müde, aber zufrieden
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