Romana Exklusiv 0197
nach Hause.
Lysan freundete sich immer mehr mit Gabina an, mit der sie sich gut verstand. Enrico hingegen ließ sich nur selten sehen.
Als Lysan am Sonntagmorgen aufstand, dachte sie erschrocken daran, dass sie schon eine Woche in Chile war und immer noch Gast in Enricos Haus, obwohl sie sich vorgenommen hatte, nur einige Tage bei ihm zu bleiben. Ich muss endlich handeln und ihm mitteilen, dass ich ins Hotel ziehe, mahnte sie sich.
Doch daraus wurde vorerst nichts, wie sich herausstellte, als sie sich zu Gabina an den Frühstückstisch setzte.
Sie begrüßte Gabina freundlich, die ihr sogleich Kaffee einschenkte.
„Auda bringt noch den Toast“, sagte Gabina.
„Ich dachte, Enrico …“, begann Lysan unüberlegt und korrigierte sich rasch: „Ich hatte eigentlich erwartet, dass Enrico und Celso heute etwas später aufstehen, weil Sonntag ist.“
„Sie arbeiten heute, was aber an Sonntagen sonst eher die Ausnahme ist. Deshalb wollte ich vorschlagen, dass wir beide, Sie und ich …“
„Aber bitte keinen Einkaufsbummel!“, rief Lysan. Sie musste also bis zum Abend warten, ehe sie sich bei Enrico für die Gastfreundschaft bedanken und ihm eröffnen konnte, dass sie nicht länger in seinem Haus bleiben würde. Das bedeutete, sie musste eine weitere Nacht unter seinem Dach verbringen.
„Nein, heute nicht“, antwortete Gabina. „Ich habe gedacht, wir fahren nach Santiago und mit der Seilbahn auf den Hügel San Cristóbel, den man auch zu Fuß hinaufwandern kann.“
„Ja, das klingt gut“, stimmte Lysan zu.
Erst als sie unterwegs waren, fiel Lysan ein, dass sie Enrico eine schriftliche Nachricht hätte hinterlassen, ihre Sachen mitnehmen und Gabina bitten können, sie ins Hotel zu bringen. Sie hätte dann immer noch den Tag mit Gabina verbringen können. Für solche Überlegungen war es jetzt leider zu spät.
Es war ein wunderschöner Tag. Am Horizont zeichnete sich die schneebedeckte Kette der Anden ab. Lysan fühlte sich sehr wohl und beschloss, sich die gute Laune nicht verderben zu lassen. Doch plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihr Problem mit Noel noch nicht gelöst hatte, was sie sehr beunruhigte.
Der Anblick der riesengroßen weißen Statue auf dem Hügel war sehr beeindruckend. Sie gingen zu Fuß hinauf und fuhren später mit der Seilbahn wieder hinunter. Lysan nahm jedoch kaum etwas von der herrlichen Umgebung wahr, sondern grübelte unentwegt über Enrico nach. War er immer noch mit seiner Arbeit beschäftigt? Oder vergnügte er sich vielleicht mit Ondina Alvarez?
Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie sich viel zu viele Gedanken um ihn machte, statt sich endlich über ihre Beziehung zu Noel Klarheit zu verschaffen. Ich habe ja nur deshalb so intensiv an Enrico gedacht, weil ich ihm unbedingt erklären will, dass ich morgen ins Hotel ziehe, entschuldigte sie sich vor sich selbst.
Abends machte sie sich sorgfältig fürs Dinner zurecht und zog ein elegantes ärmelloses Kleid aus gelber Seide an, bürstete das lange aschblonde Haar nach hinten und steckte es kunstvoll zusammen. Dann legte sie noch eine zweireihige Perlenkette sowie Perlenohrringe an. Sie war mit ihrem Aussehen zufrieden, und es stärkte ihr Selbstbewusstsein. Dennoch war sie seltsam nervös, als sie ins Wohnzimmer ging.
Vor der Tür atmete sie tief durch und machte sich darauf gefasst, Ondina Alvarez zu begegnen. Aber außer Enrico war niemand im Raum. Als sie eintrat, musterte er sie von oben bis unten.
Lysan fühlte sich unbehaglich und suchte nach Worten. „Offenbar bin ich die Erste – außer Ihnen natürlich.“
„Einen Martini?“, fragte er kühl, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
„Nein, einen Sherry“, erwiderte sie gereizt, nur um ihm zu widersprechen, denn eigentlich mochte sie keinen Sherry. „Bitte“, fügte sie hinzu, um nicht allzu unhöflich zu sein. Was hat dieser Mann an sich, dass ich immer so heftig reagiere?, überlegte sie. Während er sich um die Getränke kümmerte, wünschte Lysan, Gabina und Celso würden endlich auftauchen. Andererseits wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt gewesen, Enrico ihren Entschluss mitzuteilen.
„Gabina und Celso sind bei Freunden eingeladen“, erklärte Enrico und reichte ihr das Glas. Konnte er etwa Gedanken lesen?
„Oh!“ Lysan war überrascht. „Davon hat Gabina nichts erwähnt.“
„Sie wusste es selbst nicht. Es hat sich erst heute ergeben, als Celso mit seinem Freund telefoniert hat. Hatten Sie einen schönen Tag?“
„Ja, danke“, antwortete
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