Romana Gold Band 13
hatte.
„Warum musste es denn unbedingt dieses Lokal sein?“, fragte Ginger zum wiederholten Male, ohne ernsthaft eine Antwort zu erwarten. Anna hatte ein großes Geheimnis um ihre Suche nach diesem Café gemacht, aber daran störte Ginger sich nicht.
Einen Monat zuvor hatte sie noch als Kosmetikerin und Aromatherapeutin für eine Londoner Agentur gearbeitet, die ihre Dienste Privatkunden, aber auch verschiedenen Kliniken offerierte. Damals hatte Anna Statis’ Arzt sie angefordert. Die alte Dame war gestürzt und hatte sich dabei die Schulter böse geprellt. Da sie außerdem in beiden Knien Arthritis hatte, konnte sie sich nach ihrem Unfall nur noch schlecht bewegen. Der Arzt hatte Anna eine Aromatherapie empfohlen, und die Agentur hatte ihr Ginger vermittelt. Zehn Tage später hatte sie einen Sechsmonatsvertrag als persönliche Aromatherapeutin bekommen, und seit einer Woche machten die beiden Frauen an Bord der Pallas Corinthian eine Kreuzfahrt durch die griechische Inselwelt. Für Ginger hätte das Leben im Augenblick nicht schöner sein können. Sie seufzte genüsslich und hob das Glas an die Lippen.
Anna und sie hatten einen vergnüglichen Nachmittag damit verbracht, durch die Straßen von Rhodos zu schlendern. Dabei waren sie schließlich auf das Café gestoßen, was Anna mit Begeisterung, Ginger dagegen eher mit Erleichterung erfüllt hatte. Sie wollte vermeiden, dass die alte Dame sich überanstrengte.
„Hier wurde mein Sohn gezeugt.“
„Wie bitte?“ Ginger schreckte hoch und hätte sich dabei fast an ihrem Wein verschluckt. „Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? In einem Straßencafé?“
„Doch, das stimmt. Ich war damals Tänzerin auf einem Kreuzfahrtschiff. Für eine junge Engländerin aus gutem Hause war das zu meiner Zeit noch äußerst gewagt. Das Schiff legte regelmäßig in Rhodos an. So habe ich mich schließlich in einen gut aussehenden Griechen namens Nikos Statis verliebt, und genau diese Woche vor vierzig Jahren wurde in einem kleinen Zimmer über dem Café mein Sohn Alexandros gezeugt.“
Ginger musterte ihre Chefin eindringlich. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihr glauben sollte. Anna Statis war Mitte sechzig. Ihr einst blondes, inzwischen aber weißes Haar war im Nacken zu einem Knoten gesteckt und ließ den Blick frei auf ihr noch immer attraktives Gesicht. Ihre sonst strahlenden blauen Augen wurden allerdings in diesem Moment von einem wehmütigen Ausdruck getrübt.
„Und jetzt sind Sie wieder hier! Das ist ja richtig romantisch“, sagte Ginger schließlich, obwohl sie insgeheim ihre Zweifel hatte. Schon eine Woche, nachdem sie ihre Stellung bei Anna angetreten hatte, hatte sie miterlebt, wie die alte Dame ihren Arzt eindrucksvoll davon überzeugt hatte, dass eine Kreuzfahrt das beste Heilmittel für sie sei. Anna mochte gebrechlich wirken, aber sie verstand es auf erstaunliche Art und Weise, immer ihren Kopf durchzusetzen.
„Romantisch! Das fand ich damals auch“, fuhr Anna leise fort. „Aber da hatte ich mich ganz schön getäuscht.“
Jetzt wurde Ginger doch neugierig und wollte mehr hören. „Getäuscht? Inwiefern?“
„Irgendwann muss ich Ihnen meine Lebensgeschichte erzählen. In der kurzen Zeit, die wir jetzt zusammen sind, sind Sie mir schon vertrauter als die meisten Menschen. Wahrscheinlich weil Sie, genau wie ich, den größten Teil Ihres Lebens allein und einsam waren.“
„Aber Sie haben doch einen Sohn!“ Anna sprach oft von ihm, aber er vernachlässigte sie sträflich. Soweit Ginger wusste, hatte Alexandros seine Mutter nicht ein einziges Mal angerufen, seit sie für die alte Dame arbeitete.
„Ja, schon.“
Offensichtlich standen die beiden sich nicht sehr nahe. Typisch männlicher Egoist, dachte Ginger verächtlich, aber in diesem Moment fuhr das Taxi vor, sodass ihr keine Zeit blieb, weitere Fragen zu stellen.
Anna trank aus und lächelte plötzlich wieder. „Dass wir dieses Café heute gefunden haben, hat mir geholfen, mit meiner Vergangenheit wieder ins Reine zu kommen. Aber jetzt machen wir uns lieber auf den Rückweg.“
„Ja.“ Ginger stand auf und fügte dann hinzu: „Ich bin froh, dass wir Ihr Café ausfindig gemacht haben. Sie sehen viel zufriedener aus.“
„Das bin ich auch! Vielen Dank für Ihre Mühe, Ginger.“
Ginger lächelte, nahm ihre Tasche und half dann der alten Dame auf. Sie wartete noch einen Moment, während Anna einen letzten nachdenklichen Blick auf das Haus warf, und wollte ihr dann gerade in den Wagen
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