Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
zwei leeren Stühle am Ende des Tisches. Einer davon gehörte Danagar, der erst kürzlich aus Nyphien zurückgekehrt war, wo er herauszufinden versucht hatte, wer hinter dem Massaker von Kernat steckte. Die Reise, von der Danagar keine brauchbaren Fakten mitbrachte, hatte sich zudem als sehr viel länger und anstrengender erwiesen, als Karl Cullinane damals ahnen konnte; Danagar sah aus, als hätte er mindestens zwanzig Pfund Gewicht verloren.
Auf Thomen Furnaels Drängen hin hatte Jason Danagar ein Zimmer im Residenzturm angewiesen, mit der Order, lange zu schlafen ...
*... und sich herausfüttern zu lassen.*
Thomen. Er machte seit kurzem einen etwas seltsamen Eindruck. Jason fühlte sich versucht, Ellegon einen Blick in seine Gedanken tun zu lassen, aber ...
*Aber das ist nicht anständig. Dein Vater war strikt dagegen, daß ich in den Köpfen von Familienmitgliedern oder Freunden herumstöberte, und ich fange an zu begreifen, wie recht er hatte, wenigstens in diesem einen Punkt. Entweder sprichst du Thomen auf sein merkwürdiges Verhalten an und bestehst auf einer Erklärung, oder du wartest, bis er es von selbst zur Sprache bringt.*
Jason nickte. Die Sache mit Thomen konnte warten; der zweite unbesetzte Stuhl stellte ein viel dringenderes Problem dar: Mutter.
Bren fing seinen Blick auf. »Es wird spät. Du solltest nach ihr schicken.«
Jason wehrte ab. »Nein. Wir werden ohne sie anfangen.« Er hob die Stimme. »U'len, du kannst das Frühstück auftragen.«
Mit ihrem typischen Watschelgang brachte die Meisterköchin das erste Tablett persönlich an den Tisch und stellte es zwischen Jason und Bren Adahan nieder. Ohne weitere Umstände häufte sie einen Stapel Haferkuchen auf Jasons Teller und legte einen faustgroßen Würfel Schinken daneben.
Er unterdrückte ein Lächeln. »So viel kann ich nicht essen«, sagte er.
Sie drohte ihm mit dem Finger. »Essen wirst du es, entweder zum Frühstück oder zu Mittag. Du willst morgen aufbrechen, und ich werde nicht dulden, daß du hinausgehst und dich totschlagen läßt, mit nichts als der Erinnerung an armseligen Reiseproviant vor Augen. Wenn man dir den dummen Kopf von den Schultern bläst, dann keinesfalls, weil du zu hungrig warst, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Ich will mir keine Vorwürfe machen müssen.« Sie nahm das Honigglas und ließ die goldene Masse so freigebig über seine Pfannkuchen rinnen, als gelte es, Wasser auf ein Feuer zu gießen.
»Geh weg und laß mich in Ruhe«, grummelte er.
»Halt den Mund und iß.«
Er liebte die grämliche alte Frau - sie wachte über ihn, seit er denken konnte -, doch keiner von ihnen sprach darüber. Das hätte U'len nicht gefallen.
»Ich gehe, sobald du zu essen angefangen hast«, verkündete sie und verschränkte die Arme vor ihrem ungeheuren Busen. »Also iß.«
Er nahm die Gabel und machte sich ans Werk. Die übrigen Anwesenden folgten seinem Beispiel; der Raum füllte sich mit dem vertrauten Klirren und Klappern von Tellern und Besteck und dem Raunen einer zwischen den Bissen geführten Unterhaltung.
Allmählich mache ich mir Sorgen wegen Mutter. Übermittle bitte: Alle sitzen beim Frühstück, außer dir.
*Ich möchte nicht. In ihre Gedanken zu schauen, ist kein Vergnügen ... Na, schon gut.* Die Stimme in seinem Kopf verstummte.
Was ist los?
*Ich mag es dir nicht sagen.*
»Was ist los?«
Im Aufspringen stieß Tennetty den Stuhl zurück und hatte die Feuersteinpistole halb aus dem Gürtel gezogen, bevor Doria ihr sanft die Hand auf den freien Arm legte und sie beruhigte.
Aller Augen ruhten auf ihm.
Jason zuckte entschuldigend die Schultern. »Tut mir leid. Ich habe mit Ellegon gesprochen.« Bitte. Tief im Innern wußte er, was der Drache ihm sagen würde.
*Sie ist nicht in ihrem Zimmer. Sie sitzt in ihrer Werkstatt vor der Arbeitsbank und weint. Wieder einmal. Sie will mir nicht antworten.*
Er machte Anstalten, sich gleichfalls zu erheben, merkte jedoch, daß sich ihm erneut alle Blicke zuwandten.
Ein langes Schweigen entstand, bis Bren Adahan sich zu ihm herumdrehte. »Du mußt entschuldigen, ich hätte erwähnen sollen, daß ich gestern abend noch spät mit deiner Mutter gesprochen habe. Sie sagte, sie hätte noch eine Arbeit zu beenden und würde vermutlich entweder das Frühstück verschlafen oder sehr früh aufstehen und in ihre Werkstatt gehen.«
*Womit er sagen will: ›Das ist die Lüge, die du hättest erzählen sollen. Jetzt kümmere dich um deine Pflichten. Wir haben
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