Zeit der Träume
1
Der Sturm brauste über die Hügel. Regen prasselte mit dem scharfen Klirren von Metall auf die Steine, Blitze zuckten über den Himmel, und der Donner grollte wie Artilleriefeuer.
Es lag etwas Böses, Erregendes in der Luft, Wut und Hass, vermischt mit Macht.
Eine Mischung, die genau Malory Prices Stimmung entsprach.
Hatte sie sich nicht schon selbst gefragt, was noch alles schief gehen konnte? Und jetzt zeigte ihr die Natur, wie schlimm es werden konnte.
Irgendwo unter der Motorhaube ihres süßen kleinen Mazda klapperte es - und dabei musste sie ihn noch mit neunzehn monatlichen Raten abbezahlen. Um die Summe aufbringen zu können, war sie gezwungen weiterzuarbeiten.
Und sie hasste ihren Job.
Das war nicht Bestandteil von Malory Prices Lebensplan, den sie schon im Alter von acht Jahren entworfen hatte. Zwanzig Jahre später war aus dem Entwurf eine detaillierte, gut organisierte Checkliste mit Überschriften, Untertiteln und Querverweisen geworden. An jedem Neujahrstag überarbeitete sie ihn sorgfältig.
Sie musste ihren Job lieben. Das stand klar und deutlich unter der Überschrift KARRIERE.
Sie arbeitete schon seit sieben Jahren in der Galerie, davon die letzten drei als Geschäftsführerin, was dem Plan genau entsprach. Sie hatte ihre Arbeit auch geliebt - sie war von Kunst umgeben und hatte beinahe freie Hand, was die Ausstellungen, den Kauf und die Werbemaßnahmen anging.
Eigentlich sah sie die Galerie mittlerweile als ihre an. Sie wusste, dass die übrigen Angestellten, die Kunden, die Künstler und Kunsthandwerker das ebenso sahen.
James P. Horace mochte ja der gesetzliche Eigentümer der hübschen kleinen Galerie sein, aber er hatte Malorys Entscheidungen nie in Frage gestellt. Bei seinen immer seltener werdenden Besuchen hatte er sie stattdessen zu ihren Zukäufen, dem Ambiente und den Verkäufen beglückwünscht.
Alles war perfekt gewesen, also so, wie Malory sich ihr Leben vorgestellt hatte. Denn wenn es nicht perfekt war, wozu war man dann überhaupt auf der Welt?
Aber alles hatte sich geändert, als James auf einmal mit dreiundfünfzig Jahren sein bequemes Junggesellenleben aufgegeben und sich eine junge, sexy Frau genommen hatte. Eine Frau, die beschlossen hatte, die Galerie zu ihrem persönlichen Spielzeug zu machen. Malory kniff angewidert die stahlblauen Augen zusammen, als sie daran dachte.
Es spielte keine Rolle, dass die frisch gebackene Mrs. Horace so gut wie gar nichts von Kunst, vom Geschäft oder von Werbung und Management verstand. James betete seine Pamela an. Und Malorys Traumjob war zu einem ununterbrochenen Alptraum geworden.
Aber sie hatte versucht, sich darauf einzustellen, dachte Malory, während sie finster durch ihre Windschutzscheibe blickte, auf die der Regen prasselte. Sie hatte ihre Strategie entworfen und war entschlossen gewesen, Pamela auszusitzen. Sie musste nur ruhig und beherrscht bleiben und abwarten, bis der Weg wieder frei war.
Diese hervorragende Strategie allerdings hatte jetzt versagt. Ihr war der Geduldsfaden gerissen, als Pamela einen ihrer Aufträge rückgängig gemacht hatte, und Malory tatenlos zusehen musste, wie ihre perfekt organisierte Galerie sich in eine Ansammlung von Schrott und hässlichen Dingen verwandelte.
Manches konnte sie ja noch tolerieren, dachte Malory, aber diesen grässlichen Geschmack, den Pamela an den Tag legte, ertrug sie nicht.
Allerdings festigte sie ihren Job nicht, indem sie die Frau des Eigentümers angriff, vor allem nicht, wenn dabei Wörter wie kurzsichtiges, plebejisches Flittchen fielen.
Blitze zuckten über dem Hügel vor ihr auf, und Malory erinnerte sich unbehaglich an ihren Wutausbruch. Das war ein völlig falscher Schachzug gewesen, der ihr wieder einmal vor Augen führte, was geschah, wenn man die Beherrschung verlor.
Zu allem Überfluss hatte sie auch noch Cappuccino auf Pamelas Escada-Kostüm verschüttet. Das allerdings war wirklich ein Unfall gewesen.
Beinahe jedenfalls.
Ganz gleich, wie sehr James sie schätzte, es war Malory durchaus klar, dass ihre berufliche Karriere an einem sehr dünnen Faden hing, und wenn dieser Faden riss - was Gott verhüten möge -, war sie verloren. In so einem hübschen, pittoresken Ort wie Pleasant Valley waren Kunstgalerien äußerst rar gesät, und sie musste entweder die Branche wechseln oder umziehen.
Keine der beiden Optionen gefiel ihr.
Sie liebte Pleasant Valley und die Lage inmitten der Berge von West-Pennsylvania. Sie liebte die Kleinstadt, die
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