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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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dran.«
    Moritz kaut auf seiner Lippe und sucht nach einer Geschichte, die sie hier rausholen könnte. Aber es gibt keine. Und Anne? Die starrt Hobbe stumm an, fassungslos. Sie greift instinktiv nach den Bügeln ihrer Brille, als könnte sie sich daran festhalten, an ihnen festkrallen, um den Sturz zu verhindern. Aber ihre Brille hat sie längst verloren, in einem der Höhlengänge. Deswegen greift sie ins Leere und wirkt dabei so verletzlich wie ein kleines Kind.
    Okay, das ist dann jetzt wohl mein Part. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass es Tierfilmern verboten ist, in den Lauf der Natur einzugreifen. Wenn die ein süßes Antilopenbaby zwei Wochen lang filmen, dürfen die keinen Finger rühren, wenn plötzlich ein Gepard auftaucht und das Kleine zum Frühstück vernascht. Zum Glück bin ich kein Tierfilmer.
    Meine Klaustrophobie lässt meine Hand leicht zittern, als ich den Stock vom Boden aufhebe – der, mit dem Hobbe Moritz in die Kniekehlen geschlagen hat. Das ist nämlich gar kein Stock, sondern ein Samuraischwert. Dasselbe, das bei Hobbe im Büro an der Wand hing. Ich zwinge mich, ruhig und konzentriert zu atmen, dann ziehe ich ganz langsam die Klinge aus der Rochenhautscheide. Die Waffe ist leicht geölt, sodass sie geräuschlos aus ihrem Etui herausgleitet. Ich drücke meinen Zeigefinger vorsichtig auf die Schneide und spüre zufrieden, wie der Stahl mühelos durch die obersten Schichten meiner Haut dringt. Der Schmerz lenkt mich von meiner Angst ab. Die Klinge ist messerscharf, und dass die Spitze abgebrochen ist, stört mich nicht. Für das, was ich vorhabe, ist das egal, da brauche ich die Spitze gar nicht.
    »Muss ich alles zweimal sagen?«, fragt Hobbe und macht eine einladende Bewegung Richtung Fluss. »Sie geht allein! Um dich kümmere ich mich danach!«
    Moritz und Anne halten sich trotzdem weiter an den Händen gefasst und bewegen sich in winzigen Schritten rückwärts.
    Hobbe hebt die Pistole, sodass eine Linie entsteht zwischen seinen Augen, der Mündung und Moritz’ Kopf. »Könnt ihr nicht ein bisschen kooperativer sein? Meint ihr etwa, mir macht das Spaß hier?«, stöhnt Hobbe.
    Die zwei stehen nun genau am Abgrund. Moritz’ Absatz ragt schon darüber hinaus, und auch Anne steht eigentlich nur noch auf den Zehenspitzen.
    Mit der Klinge in der Hand trete ich aus dem Dunkeln in den Schein der Lampen. Moritz und Anne können mich jetzt sehen. Hobbe nicht, weil ich etwa einen Meter hinter ihm stehe. Aber an Moritz’ und Annes weit aufgerissenen Augen bemerkt er, dass irgendetwas nicht stimmt. Er will sich umdrehen, aber dazu kommt er nicht mehr. Mit einem leisen Sirren fährt die Klinge durch die Luft und dann einmal quer durch Hobbes Hals. Blut schießt aus seiner Schlagader, als sein Kopf auf den Boden fällt und direkt vor Annes Füße rollt.
    Anne reißt den Mund auf, um zu brüllen. Aber es kommt kein Ton heraus, und das ist fast noch unheimlicher, als wenn sie anfangen würde zu schreien. Hobbes kopfloser Körper durchbricht im Fallen die Absperrung am Rand des Abgrunds und stürzt in die Tiefe. Es dauert erstaunlich lange, bis er unten auf der Wasseroberfläche aufschlägt.
    Da endlich beginnt Anne zu kreischen, und Moritz muss sie mit seinem linken Arm festhalten, damit sie vor Schreck nicht abrutscht. Dabei ist er selbst ganz geschockt. Für einen Moment bin ich versucht, den Kopf über den Abgrund zu rollen. Aber das wäre nicht fair. Hobbe hat sich solche Mühe gegeben, Moritz’ Geschichte in die Realität umzusetzen. Ich werde seinen Kopf liegen lassen, damit ihn morgen der Pförtner findet. So wird Hobbe nach seinem Tod noch Teil einer Geschichte, an deren Kraft er so sehr geglaubt hat.
    Dafür gebe ich der P 7 einen kräftigen Tritt und werfe auch das blutige Schwert seinem Besitzer hinterher. Diese Dinger bringen nur Ärger, und in der Hand von Anfängern können sie sogar gefährlich werden.
    Dann muss alles ganz schnell gehen. Ich hebe eine der Taschenlampen auf und drücke sie Moritz in die linke Hand.
    »Wer sind Sie? Woher wissen Sie, dass wir hier sind? Gehören Sie zu ihm?«, fragt Moritz, und an seiner Stelle würde ich das bestimmt auch gern wissen wollen.
    Aber dafür ist keine Zeit. Ich will endlich wieder raus und an die frische Luft. Außerdem wartet da bereits eine Limousine mit getönten Scheiben und einem schweigsamen Chauffeur auf Moritz und Anne. Sie stehen noch immer unter Schock, und das macht es einfacher für mich, sie aus der Höhle zu führen. Den

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