Rot wie das Meer
er.
»Das trifft sich gut«, erwidere ich. Ich warte nicht darauf, dass er mich einlädt, sondern marschiere direkt ins Wohnzimmer. Wie die
Eingangshalle ist auch dieser Raum so gut wie leer. Nur ein runder Tisch unter der hohen Decke und Messingleuchter an den Wänden. Alles wirkt ziemlich trist. Ich frage mich, ob er hier gesessen und darüber nachgedacht hat, ob die See wohl eines Tages die gescheckte Stute oder Mutt Malvern wieder ausspuckt. Ich setze mich auf den Stuhl gegenüber dem, der bereits unter dem Tisch hervorgezogen ist.
Malverns Mundwinkel zuckt. »Milch und Zucker?«
Ich verschränke meine Arme auf dem Tisch und blicke ihn an. »Ich nehme ihn so, wie Sie ihn trinken.«
Er hebt eine Augenbraue, bereitet mir dann aber eine Tasse seines merkwürdigen Tees zu. Schließlich schiebt er sie zu mir herüber, bevor er auf der anderen Seite des Tisches Platz nimmt, die Beine kreuzt und sich zurücklehnt.
»Welchem Umstand habe ich es zu verdanken, dass Sie wie ein Wirbelsturm in mein Haus geweht kommen, Kate Connolly? Höflich ist das nicht.«
»Wahrscheinlich nicht, nein. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über drei Angelegenheiten zu sprechen«, sage ich. Ich nippe an meiner Teetasse und er beobachtet mich. Ich schließe ein Auge. Der Tee schmeckt, als würde man versuchen, rohen Brotteig zu trinken, oder den Teppich ablecken. »Über drei Wünsche, die ich habe.«
»Das sind ganz schön viele Wünsche auf einmal.«
Ich greife in meinen Schulranzen und lege ein kleines Bündel Scheine auf die Tischdecke. »Als Erstes möchte ich gern alle Schulden für unser Haus begleichen.«
Malvern beäugt das Geld, ohne es zu berühren. »Und der zweite Wunsch?«
Um meiner Entschlossenheit Ausdruck zu verleihen, nehme ich einen weiteren großen Schluck Tee. Dazu ist ein beträchtliches Maß an Selbstbeherrschung vonnöten, aber ich schaffe es. »Zweitens möchte ich Sie bitten, mir Arbeit zu geben.«
Er stellt seine Teetasse hin. »Und wie haben Sie sich diese Arbeit genau vorgestellt?«
»Ich dachte da für den Anfang an Ausmisten, Abreiten und Schubkarrenschieben und so etwas, das sollte ich ganz gut hinbekommen.«
Malvern betrachtet mich nachdenklich. »Arbeit zu haben, ist auf dieser Insel nichts Selbstverständliches, wie Sie sicher wissen.«
»Das ist mir bewusst«, erwidere ich.
Benjamin Malvern streicht sich mit dem Finger über den Mund und sieht zu der hohen Decke über unseren Köpfen auf. An einer Stelle ist dort ein kleiner Riss im Putz und er runzelt die Stirn, als sein Blick darauf fällt. »Ich denke, das ließe sich einrichten. Und was wäre dann der dritte Wunsch?«
Ich stelle meine Teetasse ab und blicke ihn fest an. Wenn es einen Moment gibt, in dem ich wirklich Furcht einflößend aussehen muss, dann ist es dieser. »Ich möchte, dass Sie Sean Kendrick Corr verkaufen, auch wenn Sean nicht gewonnen hat.«
Malvern verzieht das Gesicht. »Er und ich hatten eine klare Abmachung. Er wusste, worauf er sich einlässt.«
»Dieses Pferd hat keinen Nutzen mehr für Sie, das wissen Sie beide. Wozu wollen Sie ihn denn noch behalten?«
Er hebt eine Hand in Richtung der Decke.
»Dann können Sie ihn genauso gut verkaufen«, sage ich. »Es sei denn, es bereitet Ihnen Freude, Sean Kendrick zu quälen.« Ich überlege, ob ich hinzufügen soll, so wie Ihrem verstorbenen Sohn, beschließe dann aber, dass diese Bemerkung gemeiner wäre, als es die Situation erfordert.
»Hat er Sie geschickt, um mich darum zu bitten?«
Ich schüttele den Kopf. »Er weiß nicht, dass ich hier bin. Und es würde ihm wahrscheinlich auch nicht besonders gefallen, wenn er es wüsste.«
Malvern blickt in seinen Tee. »Sie beide sind schon ein seltsames Pärchen. Sie sind doch eins, oder?«
»Wir sind noch in der Vorbereitungsphase.«
Er schüttelt den Kopf. »Na schön. Ich verkaufe ihn. Aber am Preis
ändert sich nichts, auch wenn der Gaul jetzt auf drei Beinen steht anstatt auf vieren. Wäre das dann alles?«
»Ich habe gesagt, ich hätte drei Wünsche, und die habe ich Ihnen genannt.«
»Das ist wahr. Dann lassen Sie mich doch jetzt bitte in Ruhe meinen Tee trinken. Kommen Sie am Montag wieder, dann sprechen wir über Ihren Dienst an der Schubkarre.«
Ich stehe auf und lasse das Geld auf dem Tisch liegen, dann trete ich auf den Hof hinaus. Der Wind streicht in langen Böen über den Boden und verbreitet den Duft nach Meer und Inselgras, Heu und Pferden. Mir ist, als hätte ich noch nie etwas Schöneres
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