Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Stirn …
Tiefes Schweigen umgab sie. Das Klappern der Töpfe in der Küche war nur noch ein dumpfes Hintergrundgeräusch, und auch die Stimme von Nina Simone schien in einer anderen Sphäre zu ertönen. Nichts war mehr real – nur die Erkenntnis, dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
»Komm mit nach draußen.« Peters Stimme war leise, aber klar. Als Mara sich nicht rührte, griff er nach ihrem Arm. »Bitte – nur für einen Augenblick.«
Das Quietschen der Tür zerstörte den Eindruck von Stille, und auch die anderen Geräusche kamen wieder zurück; das Murmeln der Gäste, der Lärm aus der Küche und die Musik. Und dann war sie draußen und folgte Peter über eine kleine Terrasse zum Lillipilli-Baum.
»Ich habe dich überrascht, es tut mir leid«, sagte er.
Mara öffnete den Mund. Seine Stimme klang genauso wie in ihrer Erinnerung.
»Aber ich … ich musste dich sehen«, fügte er hinzu.
Mara blickte ihn an. Sie konnte es noch nicht glauben, dass er tatsächlich vor ihr stand. Dann schüttelte sie verwirrt den Kopf. »Woher wusstest du denn, dass ich in Bicheno bin?«
»Das wusste ich bis gestern Abend nicht«, erwiderte Peter. »Ich fahre einfach nur durch Tasmanien, mit Melanie – meiner Tochter.«
»Melanie«, wiederholte Mara. Fast hätte sie gelacht, als ihr klar wurde, dass ihr Bild von Paula sich trotz der langen Zeit nicht geändert hatte. Sie hatte geglaubt, dass Peters Frau immer noch die Aufmerksamkeit eines Mädchens wie Lucie auf sich ziehen würde, obwohl sie natürlich ebenfalls älter geworden war. Und Peters Tochter musste jetzt auch schon etwa dreißig Jahre alt sein. »Sie war damals noch ein kleines Mädchen.«
»Ja.« Peter lächelte und sah sie an.
Plötzlich lösten sich all die Jahre in Nichts auf. Sie waren wieder in der Lodge und suchten Holzschnitzereien für die Kinder aus.
Dann war der Moment vergangen. Mara holte tief Luft. »Was hat dich nach Tasmanien gebracht?«
Die Frage klang so sachlich – kühl sogar.
Peters Tonfall war ebenfalls leicht. »Wir waren in Sydney und hatten noch Zeit. Ich war noch nie in Tasmanien, und ich dachte, jetzt wäre eine gute Gelegenheit.« Er blickte zu Boden. »Um die Wahrheit zu sagen, ich wollte sehen, wo du aufgewachsen bist. Ich erinnerte mich daran, dass du mir von dem Ferienlager in dem Ort an der Küste, mit dem französischen Namen, erzählt hast. Bicheno. Und ich wollte die Insel mit den Pinguinen sehen. Deshalb sind wir hierhergekommen.« Ein entschuldigender Ausdruck trat in seine Augen, als er den Blick wieder hob. »Ich dachte, du und John, ihr wärt vermutlich sowieso noch in Afrika.«
Mara wusste nicht, was sie erwidern sollte. Was sie ihm zu sagen hatte, erschien ihr so groß – und gar nicht das, was er zu hören erwartete.
»Kann ich dich besuchen?«, fragte Peter drängend. Er blickte sie an und schien jedes noch so kleine Detail aufzunehmen. Mara hob automatisch die Hand, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen – eine alte Gewohnheit aus den Tagen, an denen sie es offen getragen hatte. »Ich weiß, dass wir gesagt haben, wir würden uns nicht wiedersehen«, fügte Peter hinzu. »Aber jetzt, wo ich dich gefunden habe, kann ich doch nicht einfach nur hallo sagen und weitergehen. Ich möchte dein Leben, deine Familie nicht durcheinanderbringen – ich will dich nur sehen, mit dir sprechen.«
Mara nickte langsam. »Ich wohne hier um die Ecke. Am Hügel unter dem großen Felsen ist ein kleines Cottage.«
Er lächelte schief. »Ich weiß, wo es ist.«
Mara dachte an den Mietwagen, der kurz auf der Straße angehalten hatte und dann weitergefahren war. »Du bist heute Nachmittag daran vorbeigefahren.«
»Ja«, gab Peter zu, »der Mann im Eisenwarenladen hat mir gesagt, wo ich dich finden würde. Ich habe ihm erklärt, wir wären alte Freunde.«
Mara wandte den Blick ab. Alte Freunde. Leises Entsetzen stieg in ihr auf. Waren sie das? Nur alte Freunde, die sich nach langer Zeit endlich einmal wiedersahen?
»Ich dachte, ich sollte besser zuerst hierherkommen und dich fragen, ob ich dich besuchen darf«, fuhr Peter fort. »Dich und John. Ich wollte erst einmal sehen, ob es okay ist.«
Mara blickte ihn schweigend an. In Gedanken wiederholte sie seine Worte. Dich und John. Das hatte schon so lange nichts mehr mit ihrem Leben zu tun. Sie biss sich auf die Lippe und rang um die richtige Erwiderung. Dann sagte sie einfach: »John ist tot.«
Peters Augen weiteten sich vor Schreck. »Das tut
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