Rotglut
war am Telefon sichtlich erschüttert gewesen, als Hölzle ihr gegenüber neue Erkenntnisse im Falle ihres ermordeten Vaters erwähnt hatte, und sie hatte einem Treffen sofort zugestimmt.
Die Ermittlungsbeamten parkten ihr Auto direkt vor der Villa in der Markusallee gegenüber dem Rhododendronpark. Es erwartete sie ein fast herrschaftliches Anwesen. Ein Portikus mit schlanken, weißen Säulen überdachte den Zugang zur Villa, der Vorgarten präsentierte sich als ein farbenfrohes Gemisch aus allerlei Stauden, vom blau blühendem Rittersporn bis zum duftenden, satt rosafarbenen Phlox.
Elvira Theuerholz öffnete und bat Hölzle und Schipper ins Haus. Fast ehrfürchtig schritten die beiden über das glänzende Kirschholzparkett der riesigen Eingangshalle. Ein üppiger Rosenstrauß stand auf einer Mahagonikommode. Ein paar der gelben Blütenblätter waren in eine Glasschale gefallen, die einen Stapel Visitenkarten enthielt. Harry starrte darauf, so etwas hatte er noch nie gesehen. Elvira Theuerholz bemerkte seinen Blick.
»Hier legen unsere Gäste ihre Karten ab. Das ist bei uns so Usus. Wenn Sie eine haben, legen Sie sie doch bitte dazu.«
Harry wurde rot, zückte seine Geldbörse und entnahm ihr eine seiner verknitterten Visitenkarten, die er dann lässig auf den kleinen Stapel warf. Dann folgten die beiden der Dame des Hauses nach hinten auf die Terrasse, die sich mit edlen Loungemöbeln, umrahmt von mediterranen Gewächsen, präsentierte, als wäre sie direkt einem Hochglanzmagazin entsprungen.
Hölzle kam, nachdem alle Platz genommen hatten, ohne Umschweife zu Sache.
»Frau Theuerholz, wie ich schon am Telefon andeutete, sind wir durch einen aktuellen Mordfall auf die Entführung Ihres Vaters im Jahre 1974 gestoßen. Können Sie uns schildern, was genau damals passiert ist? Es scheint, dass die Polizei zunächst komplett rausgehalten wurde, das wundert uns. Ebenso die Presse. Erst nachdem die Leiche Ihres Vaters gefunden wurde, findet man mehr Zeitungsberichte.«
»Natürlich erinnere ich mich. Meine Familie bekam ein Foto meines Vaters, der die aktuelle Tagesausgabe des Weser-Kuriers vor sich hielt. Meine Mutter hatte natürlich fürchterliche Angst, wie wir alle. Sie vertraute sich einem Freund meines Vaters an, dem damaligen Senator für Inneres. Meine Mutter wollte auf gar keinen Fall die Polizei einschalten und die Presse schon gar nicht. Der Senator wollte sich darum kümmern, er hätte einen Mann in seiner Abteilung, auf den er sich hundertprozentig verlassen könne. Dieser würde sich der Entführung meines Vaters und der Lösegeldübergabe annehmen.« Sie schwieg einen Augenblick. »Wir hatten so große Hoffnung, doch dann … Aber was hat dies alles mit einem Mordfall, der jetzt passiert ist, zu tun?«
»Es steht unzweifelhaft fest, dass bei dem jetzigen Mord dieselbe Waffe zum Einsatz gekommen ist, mit der Ihr Vater erschossen wurde.«
Elvira Theuerholz’ Lippen wurden zu einem schmalen Strich, und man konnte ihr ansehen, dass sie um Beherrschung ihrer Gefühle bemüht war.
»Sie meinen, der Mörder meines Vaters hat erneut einen Menschen getötet?«
»Ganz genau. Wir schließen im Moment aus, dass die Waffe seither den Besitzer gewechselt hat. Leider wurde die Waffe nie registriert. Wie wir wissen, handelt es sich um eine Pistole, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr hergestellt wird. Außerdem haben wir herausgefunden, wo Ihr Vater vor seiner Ermordung gefangen gehalten wurde.« Hölzle machte eine kleine Pause, um Elvira Theuerholz Zeit zu geben, diese Informationen zu verarbeiten.
Sie schüttelte schwach den Kopf. »Nach all den Jahren …«, flüsterte sie leise.
Fast behutsam fragte Harry: »Sagt Ihnen der Name ›Stolze‹ etwas?«
Elvira Theuerholz’ Augen wurden groß. »Stolze? Irene Stolze war meine Freundin in Jugendtagen. Und ihre Eltern Uwe und Dietlinde enge Freunde meiner Eltern. Meinen Sie die Stolzes?«
Hölzle und Schipper nickten.
»Aber, aber …, was haben denn Stolzes damit zu tun?« Elvira war fassungslos.
»Frau Theuerholz, wir haben Grund zur Annahme, dass Ihr Vater in der Villa der Stolzes festgehalten wurde. Auf einem der Fotos, die damals Ihrer Familie zugespielt wurden, kann man mithilfe der heutigen Technik ein Wandgemälde sichtbar machen, das zweifelsfrei einem Kellerraum dieses Hauses zugeordnet werden kann. Zwar hat unsere Spurensicherung nach mehr als 30 Jahren keinen einzigen Hinweis mehr darauf gefunden, dass man Ihren Vater dort
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