0115 - Der Kampf mit den Höllengeistern
Molly Wicker schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Du solltest nicht so viel trinken, Ted«, sagte sie rügend. »Du weißt, daß dir der viele Whisky nicht guttut.«
Ted Wicker wandte sich gereizt um. Er war ein großer stattlicher Mann mit breiten Schultern und derben Gesichtszügen. Eigentlich sah er nicht aus wie ein Erfolgsmensch. Dabei war er der Staranwalt von New York.
»Wann wirst du endlich damit aufhören, mich zu bemuttern?« fragte er seine Frau ärgerlich. »Ich bin dreiundvierzig. Also alt genug, um selbst zu wissen, wieviel ich trinken darf.«
»Ich meine es doch nur gut mit dir«, sagte Molly ernst. Sie trug das dichte, schwarze Haar straff aus der breiten Stirn zurückgekämmt, es fiel ihr fast bis auf die nackten Schultern. Ihre großen Augen schienen blaugrau zu sein und waren das Bemerkenswerteste an ihr. Die Nase war klein und gerade. Sonst war alles an ihr groß, das heißt weniger groß als ausgeprägt. Sie trug kein Make-up und zupfte sich auch nicht die buschigen Augenbrauen.
Ihre Jugend hatte sie hinter sich. Aber sie sah immer noch frisch und appetitlich aus.
Ted Wicker zündete sich umständlich eine Zigarette an. Er war schrecklich nervös. »Herrgott noch mal, ich halte das einfach nicht mehr aus!« stieß er gepreßt hervor. »Kann ich denn nichts mehr tun, ohne daß du mir Vorschriften machst?«
»Dr. Morris hat gesagt, du sollst den Alkohol wegen deines Rheumas meiden.«
»Ach, zum Teufel mit Dr. Morris. Er ist ein lächerlicher Quacksalber.«
»Ich habe Vertrauen zu ihm.«
»Dann beherzige du seine Ratschläge und laß mich damit bitte in Ruhe!« schrie Wicker wütend. Er stieß die Zigarette in den Aschenbecher, nahm sich aus reinem Trotz noch einen Whisky, stürzte ihn hinunter, fuhr sich mit dem Zeigefinger in den Hemdkragen und keuchte: »Ich halt’s hier drinnen nicht mehr aus. Geh zu Bett oder tu, was du willst. Ich muß noch mal an die frische Luft!«
Er stapfte durch den Living-room und gleich darauf fiel die Tür hinter ihm zu. Molly Wicker blickte ratlos auf ihre Hände. Sie fragte sich, was sie nun schon wieder falsch gemacht hatte.
Im letzten halben Jahr konnte sie sagen, was sie wollte, Ted bekam fast alles in den falschen Hals. Daran war der Streß schuld. Molly wußte es. Ted war früher nie so zu ihr gewesen. Er arbeitete zuviel. Er nahm sich sogar noch Arbeit mit nach Hause und schloß sich oft bis lange nach Mitternacht in sein Arbeitszimmer ein.
Seit einem halben Jahr kriselte es nun schon in ihrer Ehe.
Zuerst hatte Molly geglaubt, dahinter würde eine andere Frau stecken, aber dem war nicht so. Sie hatte einen Privatdetektiv engagiert, um sich diesbezüglich Gewißheit zu verschaffen. Sie schämte sich dessen nicht, und sie hatte das Honorar gern bezahlt, als sie erfuhr, daß es in Teds Leben keine andere Frau gab.
Es war lediglich die Arbeit, mit der er Molly betrog.
Molly hatte die verrücktesten Ratschläge von Freundinnen ausprobiert, um Ted wieder mehr für sich zu interessieren, doch alles hatte nichts gefruchtet. Er hatte in den meisten Fällen überhaupt nicht darauf reagiert.
Um sich aufzuputschen, wenn es im Büro Ärger gegeben hatte, griff Ted immer häufiger zur Flasche. Molly wollte nicht zusehen, wie er sich selbst kaputtmachte.
Als seine Frau hatte sie das Recht, ihm gutgemeinte Ratschläge zu geben, doch wenn sie etwas sagte, endete dies meist wie heute.
Es hatte sie viele Worte gekostet, um Ted zu überreden, mit ihr hierher zu fliegen und mit ihr hier - auf Hawaii - Urlaub zu machen. Molly hatte sich sehr viel davon versprochen.
Ted würde endlich einmal ausspannen und zu sich selbst zurückfinden, das hatte sie gehofft, doch dieses Wunder war bis jetzt noch nicht eingetroffen. Ted war immer noch gereizt und hektisch - und er hatte in diesen sieben Tagen, die sie nun schon hier waren, noch kein einziges Mal mit ihr geschlafen. Er hatte nicht einmal den Versuch unternommen, zärtlich mit ihr zu sein, und die wenigen Küsse, die er ihr gegeben hatte, waren ohne jede Emotion gewesen. Geistesabwesend hatte er sie in seine Arme genommen. Gedankenverloren hatte er seine Lippen auf ihren Mund gelegt.
War das Feuer von früher tatsächlich in ihm schon erloschen?
Ted war doch erst dreiundvierzig.
Molly begab sich zum Fenster.
Über dem noblen Bungalowdorf, in dem sie wohnten, spannte sich ein herrlicher schwarzsamtener Himmel. Die Sterne glitzerten wie geschliffene Diamanten. Eine Nacht für Verliebte. Eine Nacht für Romantiker.
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