Roth, Philip
Junge eine eiserne Gesundheit, gute, regelmäßige Zähne und eine robuste Konstitution, was sicher irgendwie damit zusammenhing, dass sie ihn so gut bemuttert und alles getan hatte, was nach damaliger Meinung der Gesundheit und dem Wachstum eines Kindes förderlich war. Zwischen ihr und ihrem Mann gab es kaum jemals Streit - beide wussten, was sie zu tun hatten und wie es am besten zu tun war, und beide widmeten sich ihren jeweiligen Aufgaben mit einem Eifer, an dem sich der junge Eugene ein Beispiel nahm.
Sein Großvater kümmerte sich um seine männliche Entwicklung, entschlossen, jedwede Schwäche auszumerzen, die der straffällig gewordene Vater - zusammen mit den schlechten Augen - an den Jungen vererbt haben könnte, und Eugene beizubringen, dass alles, was ein Mann tat, mit einer gewissen Verantwortung verbunden war. Dieser väterliche Druck war gewiss nicht leicht zu ertragen, doch wenn der Junge die Anforderungen erfüllte, sparte der Großvater nicht mit Lob. So auch an dem Tag, als der erst zehnjährige Eugene im trübe beleuchteten Lagerraum hinter dem Laden auf eine große graue Ratte stieß. Draußen war es bereits dunkel, als er die Ratte zwischen den aufgestapelten Pappkartons umherlaufen sah, die er zusammen mit seinem Großvater ausgepackt hatte. Sein erster Impuls war, davonzulaufen, doch statt dessen griff er, da er wusste, dass sein Großvater gerade eine Kundin bediente, geräuschlos nach der in der Ecke lehnenden schweren Schaufel, mit der er im Winter Kohlen in den Ofen warf, der den Laden beheizte.
Auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem näherte er sich vorsichtig der Ratte, die sich panisch in der Ecke zusammenkauerte. Als der Junge die Schaufel über den Kopf erhob, stellte die Ratte sich auf die Hinterbeine, fletschte ihre furchterregenden Zähne und machte sich bereit zu springen. Bevor sie das jedoch tun konnte, schwang er die Schaufel und traf das Tier auf den Schädel. Blut, Knochensplitter und Gehirnmasse rannen in die Ritzen zwischen den Bodendielen. Der Junge konnte einen Brechreiz nicht ganz unterdrücken, kratzte aber die Überreste der Ratte mit dem Schaufelblatt zusammen. Sie war schwerer, als er gedacht hatte, und wirkte noch größer als Sekunden zuvor, als sie sich auf die Hinterbeine gestellt hatte. Seltsamerweise sah nichts - nicht einmal der nackte, leblose Schwanz oder die vier reglosen Füße - so tot aus wie die nadeldünnen, blutverschmierten Schnurrhaare. Als er die Schaufel erhoben hatte, hatte er die Schnurrhaare gar nicht bemerkt. Nur die Worte »Töte sie« waren zu ihm durchgedrungen, als hätte sein Großvater sie in seinem Kopf gesprochen. Er wartete, bis die Kundin mit ihrer Einkaufstasche den Laden verlassen hatte, und ging dann, die Schaufel vor sich haltend, in den Verkaufsraum, um dem Großvater die tote Ratte zu zeigen, bevor er sie hinaus auf die Straße brachte. An der Ecke warf er den Kadaver auf das Gitter des Gullys und schob ihn mit der Kante des Schaufelblatts zwischen den eisernen Stäben hindurch. Dann kehrte er zum Geschäft zurück, säuberte mit Wurzelbürste, Schmierseife, Putzlumpen und einem Eimer Wasser den Boden von seinem Erbrochenen und dem Blut der Ratte und reinigte anschließend die Schaufel.
Nach dieser mutigen, triumphalen Tat nannte der Großvater den zehnjährigen brillentragenden Eugene nur noch »Bucky«, und zwar wegen der Konnotation von Hartnäckigkeit, Stärke und entschlossener, beherzter, willensstarker Tapferkeit, die in diesem Spitznamen mitschwang.
Der Großvater, Sam Cantor, war in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ganz allein aus einem jüdischen Städtchen in Galizien nach Amerika eingewandert und hatte in den Straßen von Newark gelernt, furchtlos zu sein. Bei Kämpfen mit antisemitischen Banden war ihm mehr als einmal die Nase gebrochen worden. Er verbrachte seine Jugend in einem der ärmsten Viertel einer Stadt, in der Gewalt gegen Juden an der Tagesordnung war, und diese Tatsache prägte nicht nur seine Einstellung gegenüber dem Leben, sondern auch die seines Enkels. Er ermunterte den Jungen, sich vor nichts zu fürchten, sich jederzeit als Mann wie als Jude zu behaupten und zu akzeptieren, dass die letzte Schlacht nie geschlagen war. »Und wenn du den Preis bezahlen musst«, bemerkte er häufig über die täglichen Scharmützel, die das Leben, wie er es kannte, ausmachten, »dann bezahlst du ihn eben.« Die gebrochene Nase im Gesicht seines Großvaters war für den Jungen der Beweis, dass die
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