Roth, Philip
besagte, dass sie vollständig gelähmt seien und, da sie nicht mehr aus eigener Kraft atmen könnten, in einer eisernen Lunge am Leben erhalten würden. Obwohl an jenem Morgen nicht alle Kinder erschienen, waren es doch genug, um vier Mannschaften aufzustellen, die den ganzen Tag über ein Turnier mit Spielen zu je fünf Innings austragen würden. Mr. Cantor stellte fest, dass von den etwa neunzig Kindern, die in den Ferien regelmäßig auf dem Sportplatz erschienen, außer Herbie und Alan ungefähr fünfzehn bis zwanzig Kinder fehlten, und nahm an, dass sie von ihren Eltern aus Angst vor der Kinderlähmung zu Hause behalten worden waren. Da er die Fürsorglichkeit jüdischer Eltern im allgemeinen und die Sorge jüdischer Mütter um das Wohlergehen ihrer Kinder im besonderen kannte, war er überrascht, dass nicht weit mehr ferngeblieben waren. Wahrscheinlich hatte es geholfen, dass er am Tag zuvor eine kleine Rede gehalten hatte.
»Jungs«, hatte er gesagt, nachdem er sie auf einem der beiden Baseballfelder zusammengerufen hatte, bevor sie zum Abendessen nach Hause gegangen waren, »ich will nicht, dass einer von euch Panik bekommt. Kinderlähmung ist eine Krankheit, mit der wir es jeden Sommer zu tun haben. Es ist eine schwere Krankheit, die immer wieder auftritt. Die beste Methode, dieser Bedrohung zu begegnen, besteht darin, gesund und stark zu bleiben. Wascht euch jeden Tag gründlich, esst ordentlich, trinkt acht Gläser Wasser am Tag und versucht, acht Stunden zu schlafen und euren Sorgen und Ängsten nicht nachzugeben. Wir alle wollen, dass es Herbie und Alan so schnell wie möglich besser geht. Wir alle wünschten, es wäre nicht passiert. Sie sind zwei wunderbare Jungen, und viele von euch sind mit ihnen befreundet. Dennoch müssen wir, solange sie im Krankenhaus sind und sich erholen, unser Leben weiterleben. Das bedeutet, dass ihr jeden Tag zum Sportplatz kommt und an den Spielen teilnehmt wie immer. Wenn sich einer von euch krank fühlt, dann muss er es natürlich seinen Eltern sagen und zu Hause bleiben, bis ein Arzt nach ihm gesehen hat und er wieder gesund ist. Aber wenn es euch gut geht, gibt es absolut keinen Grund, warum ihr nicht den ganzen Sommer über so aktiv sein solltet, wie ihr wollt.«
An jenem Abend hatte er vom Telefon in der Küche aus versucht, die Familien Steinmark und Michaels anzurufen, um seiner Sorge und der der anderen Jungen Ausdruck zu geben und sich nach dem Befinden ihrer Kinder zu erkundigen. Er hatte jedoch niemanden erreicht. Ein schlechtes Zeichen. Alle Angehörigen waren jetzt, um Viertel nach neun, vermutlich noch im Krankenhaus.
Dann läutete das Telefon. Es war Marcia. Sie rief aus den Pocono Mountains an, weil sie gehört hatte, dass zwei der Jungen, die täglich zum Sportplatz kamen, an Kinderlähmung erkrankt waren. »Ich hab mit meiner Familie gesprochen - sie haben es mir erzählt. Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte er und entfernte sich so weit vom Apparat, wie das Kabel es zuließ, damit er am offenen Fenster stehen konnte, wo es etwas kühler war. »Auch bei den anderen Jungen. Ich habe gerade versucht, die Familien der beiden Kranken zu erreichen, um zu hören, wie es ihnen geht.«
»Du fehlst mir«, sagte Marcia, »und ich mache mir Sorgen um dich.«
»Du fehlst mir auch«, sagte er, »aber es gibt keinen Grund zur Besorgnis.«
»Jetzt tut es mir leid, dass ich hierher gefahren bin.« Sie arbeitete jetzt schon im zweiten Sommer als Oberbetreuerin in Indian Hill, einem Sommercamp für jüdische Jungen und Mädchen in den Pocono Mountains in Pennsylvania, hundert Kilometer von Newark entfernt. Während des Schuljahrs unterrichtete sie die erste Klasse an der Chancellor Avenue School - sie hatten sich als neue Mitglieder des Lehrkörpers im vorangegangenen Jahr kennengelernt. »Es klingt schrecklich«, sagte sie.
»Es ist ja auch schrecklich für die Jungen und ihre Familien«, sagte er, »aber die Situation ist keineswegs außer Kontrolle. Und das solltest du nicht denken.«
»Meine Mutter hat etwas gesagt, das ich nicht verstanden habe - irgendetwas von Italienern, die zum Sportplatz gekommen sind, um Kinderlähmung zu übertragen.«
»Die Italiener haben gar nichts übertragen. Ich war dort und weiß, was passiert ist. Es waren ein paar Wichtigtuer, die auf die Straße gespuckt haben. Wir haben das dann weggewischt. Kinderlähmung ist Kinderlähmung - kein Mensch weiß, wie sie übertragen wird. Es wird Sommer, und auf einmal ist sie da.
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