Roth, Philip
Man kann nichts dagegen tun.«
»Ich liebe dich, Bucky. Ich denke ständig an dich.«
Er senkte seine Stimme, damit die Nachbarn ihn nicht durch die offenen Fenster hören konnten, und sagte: »Ich liebe dich auch.« Es war schwierig, ihr das zu sagen, denn er hatte - vernünftigerweise, wie er fand - beschlossen, sich nicht zu sehr nach ihr zu sehnen. Und außerdem hatte er sich noch nie einem Mädchen gegenüber so deutlich erklärt und fand die Worte eigenartig und ungewohnt.
»Ich muss jetzt aufhören«, sagte Marcia. »Hier steht jemand und will auch telefonieren. Bitte pass auf dich auf.«
»Das tue ich. Das werde ich. Aber mach dir keine Sorgen. Es gibt gar keinen Grund dazu.«
Am nächsten Tag verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, dass im Schulsprengel von Weequahic elf neue Fälle von Kinderlähmung aufgetreten waren, so viele wie in den vergangenen drei Jahren zusammengenommen, und dabei war es erst Juli, und es würde noch zwei Monate dauern, bis die Poliowelle vorüber war. Elf neue Fälle, und in der Nacht war Mr. Cantors Lieblingsschüler Alan Michaels im Krankenhaus gestorben. Innerhalb von kaum zweiundsiebzig Stunden war er der Krankheit erlegen.
Der nächste Tag war ein Samstag, und der Sportplatz war nur bis zum Mittag geöffnet, wenn in der ganzen Stadt der Probealarm der Luftschutzsirenen erklang. Anstatt zurück zur Barclay Street zu gehen und seiner Großmutter bei den Einkäufen für die kommende Woche zu helfen - das Inventar ihres eigenen Gemüsegeschäftes war nach dem Tod des Großvaters für kaum mehr als ein Almosen verkauft worden -, begab Mr. Cantor sich in sein Büro im Keller der Schule, duschte in der Umkleide der Jungen hinter der Turnhalle und zog ein frisches Hemd, eine saubere Hose sowie die mitgebrachten blank geputzten Schuhe an. Dann ging er die Chancellor Avenue entlang, den Hügel hinunter bis zum Fabyan Place, wo Alan Michaels' Familie lebte. Trotz der Poliofälle in der Nachbarschaft war die von Geschäften gesäumte Hauptstraße voller Menschen, die ihre Wochenendeinkäufe erledigten, Kleider von der Reinigung abholten, Rezepte einlösten und im Lampen- oder Damenoberbekleidungsgeschäft, beim Optiker oder im Haushaltswarenladen einkauften. In Frenchys Friseursalon war jeder Stuhl besetzt von Männern aus dem Viertel, die auf einen Haarschnitt oder eine Rasur warteten, und der italienische Schuster nebenan - er war der einzige Geschäftsmann im Viertel, der kein Jude war - suchte für seine Kunden die reparierten Schuhe aus dem Regal, während das auf einen italienischen Sender eingestellte Radio durch die offene Tür auf die Straße plärrte. Überall waren bereits die Markisen heruntergelassen, um die Sonne daran zu hindern, durch die Schaufensterscheiben zu scheinen und die Läden aufzuheizen.
Es war ein sonniger, wolkenloser Tag, und mit jeder Stunde wurde es heißer. Einige der Jungen, die ihn vom Sportunterricht oder vom Sportplatz kannten, winkten ihm aufgeregt, als sie ihn auf der Chancellor Avenue entdeckten. Da er nicht in dieser Gegend, sondern in der South Side wohnte, sahen sie ihn nur in der Schule, wenn er Sportunterricht erteilte oder die Aufsicht über den Sportplatz führte. Er winkte zurück, wenn sie seinen Namen riefen, und nickte ihren Eltern lächelnd zu - einige von ihnen kannte er von den Elternabenden. Ein Vater trat auf ihn zu. »Ich möchte Ihnen die Hand schütteln, junger Mann«, sagte er zu Mr. Cantor. »Sie haben diesen Itakern gezeigt, was eine Harke ist. Diesen dreckigen Hunden. Einer gegen zehn. Sie sind ein mutiger junger Mann.«
»Danke, Sir.«
»Ich bin Murray Rosenfield, Joeys Vater.«
»Danke, Mr. Rosenfield.« Kurz darauf kam eine Frau mit einer Einkaufstasche auf ihn zu. Sie lächelte höflich und sagte: »Ich bin Mrs. Lewy, Bernies Mutter. Mein Sohn vergöttert Sie, Mr. Cantor. Aber ich möchte Sie doch etwas fragen. Bei dem, was hier in der Stadt los ist - halten Sie es da für richtig, dass die Jungen in dieser Hitze herumrennen? Wenn Bernie nach Hause kommt, ist er völlig verschwitzt. Ist das gut? Sehen Sie doch nur, was mit Alan passiert ist. Das ist eine Tragödie, über die eine Familie nie hinwegkommt. Wie soll man so etwas verkraften? Seine beiden Brüder sind in der Armee, und dann das...«
»Ich passe auf, dass die Jungen sich nicht überanstrengen, Mrs. Lewy. Ich habe ein Auge auf sie.«
»Bernie weiß einfach nicht, wann es genug ist«, sagte sie. »Er kann den ganzen Tag und die ganze Nacht
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