Rott sieht Rot
»BLÖDE FOTZE« stand nun auf dem Fenster. Eine Schaufensterpuppe sah genau durch das Ö hindurch. Die Buchstaben der beiden Wörter waren senkrecht in zwei Säulen angeordnet wie in einem Kreuzworträtsel. Diesmal fehlte das Ausrufezeichen. Dafür musste wieder ein Stück Mauer dran glauben, denn der Täter hatte sein Werk unten doppelt unterstrichen.
»Das war noch nicht alles«, sagte die Baronin. »Ein paar Tage später ging es weiter.«
Auf dem nächsten Bild hatte man das Schaufenster in Zitronengelb verschandelt: »SCHLAMPE« stand da - mehrmals eingekringelt.
»Und was genau erwarten Sie jetzt von mir?«, fragte ich, obwohl die Sache auf der Hand lag. Verdammt, meine Freizeitplanung bekam erste Risse.
»Sie sollen natürlich den Täter ermitteln«, sagte Agnes von Rosen-Winkler.
Die Risse wurden zu Spalten. Ich kratzte mich am Kopf. »Haben Sie es mal mit der Polizei versucht?«
»Die sind ein bisschen öfter Streife gefahren, haben aber nichts erreicht. Und die Versicherung macht mir auch zu schaffen. Sie ist zwar für den Schaden aufgekommen, hat mir aber für das nächste Mal mit Kündigung gedroht.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
»Was glauben Sie denn? Natürlich nicht.«
»Sind Sie ganz sicher? Ich meine - wenn mit diesen Schmierereien wirklich Sie gemeint sind, dann muss es jemanden geben, der etwas gegen Sie hat.«
»Gut beobachtet«, sagte Jutta.
Ich ließ mich nicht beirren. »Wenn jemand zu solchen Mitteln greift, muss irgendetwas vorgefallen sein. Eine Auseinandersetzung. Eine Konkurrenzsituation. Ein Geschäft, bei dem sich jemand schlecht behandelt fühlte.«
»Nein«, sagte Juttas liebe Freundin noch einmal. »Das heißt: Ich bin Geschäftsfrau, und da hat man natürlich nicht nur Freunde.«
»Und wie sieht es in Ihrem Privatleben aus?«
»Remi!«, rief Jutta.
»Auch dort wüsste ich niemanden, der so etwas macht«, sagte die Baronin ruhig.
»Entschuldigen Sie, aber das kann ich mir nicht vorstellen!«
»Es ist aber so.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es bleibt nur eine Möglichkeit«, sagte sie. »Jemand muss mein Geschäft bewachen, darauf warten, dass es wieder passiert, und den Täter auf frischer Tat ertappen.«
»Und wie soll ich das anstellen? Soll ich rund um die Uhr vor Ihrem Laden stehen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Aber es muss gar nicht rund um die Uhr sein. Bis jetzt ist es wahrscheinlich immer nachts passiert. Die dritte Schmiererei fand ich morgens, nachdem ich am Abend vorher noch die Buchhaltung gemacht habe.« Sie grinste. »Und Sie müssen ja nicht stehen. Vielleicht können Sie mit dem Wagen in die Fußgängerzone fahren und etwas bequemer Wache halten.«
Ich drückte die Zigarette aus. »Klar - wenn ich mit meinem Golf vor dem Laden parke, fängt der Täter völlig ungeniert mit seiner Malerei an. Wollen Sie den Sprayer schnappen, oder wollen Sie, dass weitere Malereien verhindert werden?«
»Natürlich beides. Jedenfalls habe ich keine Lust, Ihnen Ihren Job zu erklären. Oder mir Gedanken über Ihr körperliches Wohlbefinden zu machen.«
»Wer sagt denn, dass der Täter überhaupt wiederkommt? Vielleicht ist der Spuk ja jetzt zu Ende.«
Sie schüttelte den Kopf. »Jedes Mal lagen etwa drei oder vier Tage dazwischen. Die gelbe Malerei entstand in der Nacht von Sonntag auf Montag. Heute ist Mittwoch. Es könnte wieder so weit sein.«
»Jetzt hilf ihr schon«, meldete sich Jutta wieder. »Ich verstehe gar nicht, warum du dich so anstellst.«
Weil ich eigentlich ein paar Tage frei nehmen wollte, dachte ich. Und weil mir diese Dame alles andere als sympathisch ist. Weil ich eine Detektei und keinen Wachdienst habe. »Lass mich das Ganze überdenken«, sagte ich.
Ich konnte jetzt aufstehen, mich über Juttas komische Art mokieren, ihre aufgetakelte Freundin im Regen stehen lassen und das schöne Wetter genießen, mit dem es bald vorbei sein würde. Ich konnte die Sache aber auch annehmen. Dann hatte ich eine Kundin, die mich vielleicht in finanzkräftigen Kreisen empfehlen würde. Ich versuchte es mit einem Kompromiss.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich bewache Ihren Laden heute Abend. Als Versuch. Wenn das nichts ergibt, lassen wir es. Dann hat es der Sprayer auf gegeben.«
»Das hat natürlich überhaupt keinen Sinn«, konterte die Baronin frostig. »Wer sagt denn, dass es dann nicht morgen passiert? Drei Tage müssen Sie das schon machen, wenn Sie etwas erreichen wollen. Mindestens.«
»Zwei«,
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