Rotzig & Rotzig
kneifen, müssen wir einen mobilen Hausmeisterservice engagieren. Plus einen anderen Detektiv. Und sämtliche dafür nötigen Aufwendungen, Kryszinski, werden wir Ihnen in Rechnung stellen und, falls nötig, einklagen.“ Ich legte auf. Sah mich um. Wie ein Verdammter. Mir blieb nur eine Wahl: sofort mit der Arbeit zu beginnen. Einziger Hinderungsgrund war eine überwältigende Lustlosigkeit.
Die Katze stakste angewidert durch den ganzen Dreck und blickte mich an, als hätte sie immer schon vorausgesehen, dass wir mal so enden würden. Unter der Spüle fand sich eine staubige Rolle Mülltüten. Ich wickelte eine ab und stopfte wahllos Abfall hinein, bis sie voll war. Dann sah ich mich um. Es war kein Unterschied feststellbar. Resigniert griff ich mir die nächste. Und die übernächste. Und dann noch eine.
Es klopfte an der offenen Tür, und jemand trat ein, ohne mein Einverständnis abzuwarten. „Ich werde zu einer Leiche gerufen, und auf wen treffe ich? Sie.“ Menden. Hauptkommissar Menden. So lang, so hager, so angepisst wie nur eh und je. Ganz der Mann, für den man dereinst das Lied >You are my sunshine< geschrieben haben könnte. Beide Hände tief in die Taschen eines Lodenmantels vergraben, musterte er mich mit Augen, die in Wärme und Farbgebung an den feinen Überzug erinnern, der sich in klaren Winternächten auf die Autoscheiben legt. „Und nicht nur das. Ich erwische Sie auch noch dabei, wie Sie in der Wohnung des Toten systematisch Spuren vernichten.“
„Das ist jetzt meine“, sagte ich.
Er drehte den Kopf von mir zur Aufschrift auf der offen stehenden Wohnungstür und wieder zurück. „Sie. Als Hausmeister.“ Irgendwie wirkte der Hauptkommissar nicht recht überzeugt. Ob von meiner Intention oder aber Qualifikation war dabei unmöglich zu sagen. „Außerdem gibt es hier nichts an Spuren zu sichern. Es war Selbstmord.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Er ist mir direkt vor die Füße gefallen. Und er hat mir das hier hinterlassen.“
Ich reichte Menden den Abschiedsbrief.
Er betrachtete den Umschlag, las die Textzeile. „Die Zwillinge“, sagte er.
„Gemeint sind wohl zwei ungefähr neun- oder zehnjährige Brüder. Die umtriebige Sorte.“
„Ah, ja. Ich hatte schon das Vergnügen. Sie wollten zwei Euro Schutzgebühr von mir. Für meine Autoreifen.“
„Günstig. Von mir haben sie fünf verlangt. Und - haben Sie gezahlt?“
„Ich hab ihnen meinen Dienstausweis gezeigt.“ Ich wartete.
„Daraufhin verlangten sie das Doppelte.“
„Ich sag ja - umtriebig.“
„Doch es ist mir gelungen, den Preis ein wenig zu drücken.“ Menden zog einen länglichen Gegenstand aus der Manteltasche, warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. Ein Butterfly-Messer. „Jetzt sagen Sie mir, was Sie hier wirklich wollen.“
Ich schloss die Tür. Man weiß ja nie. Inkognito und alles.
„Ich soll einem Mietstreik den Nährboden entziehen. Grund dafür ist eine nicht abreißende Serie von Einbrüchen und Vandalismen.“ Nicht, dass die kriminellen Akte die WODEGA wirklich scherten. Aber die fehlenden Mieteingänge schlugen so unschön auf die Bilanzen. „Ihnen ist bewusst, dass Sie sich damit in polizeiliche Aufgaben einmischen?“
„Klar doch.“ Er konnte es mir nicht verbieten. Und Mann, das wurmte ihn.
„Was immer Sie herausfinden, werden Sie zuerst mir berichten. Ich dulde in meinem Revier keine Wildwest-Methoden. Verstanden?“
„Ja. Ich habe verstanden“, sagte ich. Nicht >Ja, ich werde berichten<. Menden begriff den Unterschied. Sagte aber nichts, sondern wollte sich grußlos verabschieden. Ich stoppte ihn kurz und drückte ihm zwei volle Mülltüten in die Hände.
„Und nicht im Aufzug stehen lassen“, mahnte ich.
Ich konnte machen, was ich wollte, es zog mich hinaus auf den Balkon. Und das trotz der feuchtkalt miefigen Witterung.
Es war einer dieser Winter, die die Welt der Farben auf Abstufungen von Grau und Braun reduzieren. Es war eine dieser Wohnsiedlungen, die schon vom Reißbrett an mit dem erklärten Willen zu maximaler Schäbigkeit gestaltet worden waren. Wer immer so etwas entworfen, genehmigt, in Auftrag gegeben und letzten Endes bezahlt hatte, sie alle sollten gezwungen werden, hier für den Rest ihrer Tage zu wohnen. Es war mal wieder einer dieser Jobs, die im Vergleich Geigenlehrer oder Grillhähnchenverkäufer auf dem Baumarktparkplatz in den Rang von Traumberufen erhoben.
Es war, unterm Strich, einer dieser Tage im Leben, die es auf eine subtile Art
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