Rotzig & Rotzig
das Klappmesser in etwa der Zeit auseinander und wieder zusammen, die es braucht, sich einen Tropfen von den Fingern zu schlackern. Ich konnte nicht anders, als ihm dabei zuzusehen. „Hier, willst du auch mal?“ Schmales Grinsen, schmale Klinge.
„Damit da anschließend meine Fingerabdrücke drauf sind? Und dann stellt sich raus, dass damit erst gestern eine alte Frau erstochen wurde? Ich bin doch nicht bekloppt.“
Ein Ruck aus dem Handgelenk, und er ließ das Messer wieder in seiner Jackentasche verschwinden. „Hm“, machte er resigniert. „Die Sache werden wir wohl einem anderen Blödmann anhängen müssen.“
„Ihr könnt euren Scheiß wieder einpacken.“ Es dauerte nur Sekunden. „Was habt ihr hier überhaupt gesucht?“
„Na, Tatta.“ Pause. „Geld, halt. Er ...“ - vage Kopfbewegung - „braucht es ja nicht mehr.“ Im ersten Augenblick wollte ich fragen, doch dann dämmerte mir mit einem Anflug von Grausen, dass ich wohl Nachfolger in Job und Behausung eben des Mannes war, den sie gerade unten vorm Haus aus dem Rasen kratzten.
„Alter Perversling. Der wollte uns nämlich immer seinen Pimmel zeigen.“
„>Lass ihn mal schön in der Hose, Heini<, haben wir dem immer zugerufen“, erinnerten sie sich und gackerten. Muss lustig sein, mit so was begrüßt zu werden, wann immer man vors Haus tritt, dachte ich. „Hausmeister halten sich nicht, hier bei uns“, schickte der eine dann etwas nüchterner hinterher. Die ganze Zeit über standen die beiden nicht eine Sekunde still. Tigerten herum, tauschten die Positionen wie die Hütchen eines Hütchenspielers. Die Katze, die normalerweise nicht schnell genug aus ihrem Reisekorb herauskommt, blieb bei offener Tür drin sitzen und beobachtete das Geschehen aus schmalen Augen. „Der davor hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Da drüben, in der Wanne.“
Ich wandte den Kopf und blickte ins triste gelbliche Bad mit seiner nackten Glühbirne und der rostigbraun verfärbten Sitzbadewanne. Depression griff nach mir wie ein Krake nach den Füßen eines Schiffbrüchigen. „Hatte Krebs, wollte nicht mehr.“
„Und der davor, den haben sie abgestochen.“
„War schwul, der Typ. Und hat's dann ausgerechnet bei den Hoodies versucht.“
Ich muss fragend geblickt haben, denn die beiden fanden es nötig, zu erklären. „Die Nordpark Hoodies.“
„Unsere superharte Spielplatzgang.“
„Lauter Kanaken.“
„Alle halbwarm, sagt unser Stief immer über die.“
„Und um sich zu beweisen, dass sie eben nicht schwul sind, mussten die den Hausmeister abstechen, das arme Arschloch.“
„War wahrscheinlich nur einsam, meint der Stief.“
„So wie alle Hausmeister, die wir hier hatten.“
„Alle einsam, krank oder pervers.“
Und mittlerweile tot, fügte ich im Stillen hinzu.
Es ist die Abwechslung, sage ich immer gern, es sind die ständig neuen Erfahrungen, die den Detektivberuf so faszinierend machen.
„Und, habt ihr was gefunden, an Tatta?“
Kopfschütteln.
„Schon im Geschirrschrank nachgesehen? Zwischen den Tellern?“
Zwei Blicke voll plötzlichen Interesses trafen mich. Augenblicklich hatten sie einen Stuhl unter den Hängeschrank geschoben und erklommen, und das Porzellan klapperte unter ihren flinken Fingern wie in einer Sortiermaschine. Sekunden später hörte ich ein triumphierendes „Ha!“. Dann noch eins und noch eins. Ich musste mich mit der Schulter gegen die Wohnungstür werfen, oder sie wären mir mitsamt Beute entwischt.
Erst nach längerem, forderndem Fingerschnippen bekam ich meinen Anteil ausgehändigt. Zwanzig Euro. Ein Drittel der wahrscheinlich gesamten Ersparnisse meines Vorgängers. Wenn auch nicht unbedingt seiner Hinterlassenschaft. Die beiden waren schon wieder halb aus der Tür, als ich sie noch mal zurückpfiff und jedem von ihnen eine der zahllosen, übervollen Mülltüten in die Hand drückte.
„Und wenn ich den Dreck gleich im Hausflur finde, könnt ihr euch auf was gefasst machen.“ Sie taten beeindruckt, dann waren sie weg, und ich erwartete, sie gegen die Aufzugtür treten zu hören. Stattdessen quietschte nach kurzem Fußgetrappel eine Tür in den Angeln und fiel wuchtig ins Schloss. Neugierig trat ich raus in den Flur. Der Aufzug hatte hier oben Endstation, doch das Treppenhaus wand sich noch eine Etage höher. Oben fanden sich zwei Stahltüren. Die eine führte zum Maschinenraum des Aufzugs - abgeschlossen -, die andere raus aufs flache Dach. Kies knirschte unter meinen Sohlen, als ich das
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