Rousseau's Bekenntnisse
Bruch und sogar den Grund ziemlich deutlich erklärte, während er für alle übrige bedeutungslos war. Ueberdies war ich beflissen, den Freund, von dem ich mich lossagte, in dem Werke nur mit der Achtung zu bezeichnen, welche man der erloschenen Freundschaft stets erweisen muß. Man kann dies alles im Werke selber sehen.
In dieser Welt giebt es nur Glück und Unglück, und im Mißgeschick scheint jede Handlung des Muthes ein Verbrechen zu sein. Dieselbe Handlungsweise, welche man bei Montesquieu bewundert hatte, zog mir nur Tadel und Vorwurf zu. Sobald mein Werk gedruckt war und ich Exemplare desselben besaß, schickte ich eins an Saint-Lambert, der mir noch den Tag zuvor in seinem und Frau von Houdetots Namen ein Billet voll der zärtlichsten Freundschaft geschrieben hatte (Heft B, Nr. 37). Man lese den Brief, den er mir bei Rücksendung meines Exemplares schrieb:
Eaubonne, den 10. October 1758.
»Fürwahr, mein Herr, ich kann das Geschenk, das Sie mir so eben gemacht haben, nicht annehmen. Bei der Stelle Ihrer Vorrede, wo Sie im Hinblick auf Diderot einen Spruch aus dem Prediger Salomo anführen, (er täuscht sich, derselbe ist aus Jesus Sirach) ist mir das Buch aus den Händen gefallen. Nach den Gesprächen dieses Sommers schienen Sie überzeugt, daß Diderot an dem angeblichen Vertrauensbruche, dessen Sie ihn ziehen, unschuldig wäre. Es kann Ihnen gegenüber das Unrecht auf seiner Seite liegen, ich weiß es nicht; aber so viel weiß ich, daß es Ihnen nicht das Recht verleiht, ihn öffentlich zu beschimpfen. Sie kennen recht wohl die Verfolgungen, die er zu erdulden hat, und Sie nehmen nicht Anstand, die Stimme eines alten Freundes in das Geschrei des Neides einfallen zu lassen. Ich kann Ihnen nicht verhehlen, mein Herr, wie sehr mich diese Schändlichkeit empört. Ich habe mit Diderot keinen Umgang, aber ich ehre ihn und fühle lebhaft den Kummer, den Sie einem Manne bereiten, welchem Sie, wenigstens mir gegenüber, nur einige Schwäche zum Vorwurf machten. Unsere Grundsätze, mein Herr, sind zu abweichend von einander, als daß wir je übereinstimmen könnten. Vergessen Sie mein Dasein; dies muß für Sie keine Schwierigkeit haben. Ich habe den Menschen nie solch Gutes oder solch Böses erwiesen, dessen man sich lange erinnert. Ich für meine Person verspreche Ihnen, mein Herr, Ihre Person zu vergessen und mich nur Ihrer Talente zu erinnern.«
Ueber diesen Brief fühlte ich mich nicht weniger innerlich zerrissen als empört und, in dem Uebermaße meines Elends meinen Stolz endlich wiederfindend, schrieb ich ihm folgendes Billet als Antwort:
Montmorency, den 11. October 1758.
»Mein Herr, beim Lesen Ihres Briefes habe ich Ihnen die Ehre angethan, über ihn erstaunt zu sein, und habe die Dummheit gehabt, mich von ihm aufregen zu lassen; aber einer Antwort habe ich ihn nicht für werth gehalten.
»Ich beabsichtige durchaus nicht die Abschriften für Frau von Houdetot fortzusetzen. Wenn sie das, was sie von ihnen besitzt, nicht zu behalten Lust hat, kann sie es mir zurücksenden; ihr Geld werde ich ihr zurückerstatten. Behält sie es, so muß sie trotzdem den Rest ihres Papieres und Geldes abholen lassen. Ich bitte Sie, mir gleichzeitig den Prospectus zurückzugeben, den sie in Verwahrung hat. Leben Sie wohl, mein Herr.«
Muth im Unglücke reizt niedrige Herzen auf, gefällt dagegen den edelmüthigen Herzen. Dieses Billet scheint Saint-Lambert wieder zu sich selbst gebracht und ihm Bedauern über das, was er gethan, eingeflößt zu haben; zu stolz jedoch, es seinerseits offen wieder gut zu machen, ergriff er das Mittel, war vielleicht sogar der Urheber desselben, den Schlag, den er mir versetzt hatte, abzuschwächen. Vierzehn Tage später erhielt ich von Herrn von Epinay folgenden Brief (Heft B, Nr. 52):
Heute, Donnerstag den 26.
»Ich habe, mein Herr, das Buch, das Sie mir zu übersenden die Güte gehabt, erhalten; ich las es mit dem größten Vergnügen. Diese Empfindung habe ich immer bei der Lectüre aller Werke gehabt, die aus Ihrer Feder geflossen sind. Empfangen Sie meinen besten Dank. Ich würde Ihnen denselben persönlich abgestattet haben, wenn meine Geschäfte mir gestattet hätten, ewige Zeit in Ihrer Nachbarschaft zu weilen, allein ich habe die Chevrette dieses Jahr nur sehr kurze Zeit bewohnt. Herr und Frau Dupin haben sich bei mir daselbst für den nächsten Sonntag zum Mittagbrote angemeldet. Ich hoffe auch, daß die Herren von Saint-Lambert und von Francueil sowie Frau von Houdetot
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