Rousseau's Bekenntnisse
große Bewunderung erregte. In seiner Eigenschaft als Oberkammerherr forderte der Herzog von Gesvres den Gesandten schriftlich auf, die Auslieferung des Vaters wie der Tochter zu verlangen. Herr von Montaigu gab mir den Brief und sagte zu mir statt jedes weiteren Auftrages: »Lesen Sie selbst!« Ich ging zu Herrn Le Blond und bat ihn, mit dem Nobile, welchem das Theater von San Luca gehörte, und der, wie ich glaube, ein Zustiniani war, zu reden, damit derselbe Véronèse, da er für den Dienst des Königs engagirt wäre, fortschickte. Le Blond, der sich den Auftrag nicht allzu sehr am Herzen liegen ließ, führte ihn schlecht aus. Zustiniani machte Ausflüchte und Véronèse wurde nicht fortgeschickt. Ich wurde ärgerlich. Es war die Zeit des Carnevals; ich nahm Mantel und Maske und ließ mich nach dem Palast Zustiniani fahren. Alle, die meine Gondel mit den Abzeichen des Gesandten ankommen sahen, wurden betroffen; nie war in Venedig etwas Aehnliches gesehen worden. Ich trete ein, ich lasse mich unter dem Namen d'una siora maschera [Fußnote: ... eines maskirten Herrn.] anmelden. Sobald ich eingeführt bin, nehme ich die Maske ab und nenne mich. Der Senator erblaßt und steht wie bestürzt da. »Zu meinem Bedauern,« sagte ich zu ihm, »muß ich Eure Excellenz mit meinem Besuche belästigen; allein Sie haben an Ihrem Theater von San Luca einen Mann, Namens Véronèse, der für den Dienst des Königs engagirt ist und den man vergeblich von Ihnen verlangt hat; ich komme, um im Namen Seiner Majestät die Auslieferung desselben zu fordern.« Meine kurze Ansprache hatte Wirkung. Kaum war ich fortgegangen, als mein Mann eiligst den Staatsinquisitoren Bericht über sein Abenteuer abstattete, und diese wuschen ihm den Kopf. Noch am nämlichen Tage wurde Veronese verabschiedet. Ich ließ ihm sagen, ich würde ihn, wenn er nicht in acht Tagen abreiste, verhaften lassen, und er reiste ab.
Bei einer andern Gelegenheit riß ich den Kapitän eines Kauffahrteischiffes allein und fast ohne jemandes Beistand aus der Noth. Es war der Kapitän Olivet aus Marseille; den Namen des Schiffes habe ich vergessen. Seine Mannschaft hatte mit im Dienste der Republik stehenden Slavoniern Streit bekommen; Tätlichkeiten waren vorgefallen, und der über das Schiff verhängte Arrest wurde so streng durchgeführt, daß mit Ausnahme des Kapitäns es niemand ohne Erlaubnis betreten oder verlassen durfte. Der Gesandte, an den er sich wendete, wies ihn ab. Nun suchte er den Consul auf, der ihm jedoch sagte, das wäre keine Handelsangelegenheit, und er könnte sich deshalb nicht hineinmischen. Da er nicht wußte, was er anfangen sollte, kam er zu mir. Ich stellte Herrn von Montaigu vor, daß er mir gestatten müßte, dem Senat darüber Vorstellungen zu machen. Ich erinnere mich nicht, ob er darauf einging, und ich wirklich eine Note ergehen ließ, aber soviel erinnere ich mich wohl, daß ich, als meine Schritte vergeblich waren und das Embargo noch immer weiter dauerte, einen Entschluß faßte, der Erfolg hatte. Ich nahm den Bericht über diesen Vorfall in eine Depesche an Herrn von Maurepas auf und hatte noch Mühe genug, Herrn von Montaigu dahin zu bestimmen, daß er diese Stelle stehen ließ. Ich wußte, daß unsere Depeschen, so wenig es sich auch der Mühe lohnte, in Venedig geöffnet wurden; den Beweis lieferten mir einige Stellen, welche ich Wort für Wort in der Zeitung fand: eine Treulosigkeit, über die ich dem Gesandten umsonst dringend gerathen hatte sich zu beschweren. Als ich diese Plackerei in der Depesche erwähnte, war es meine Absicht, die Neugier der Venetianer dahin zu benutzen, ihnen Furcht einzujagen und sie dadurch zu bewegen, das Schiff frei zu geben, denn hätte man, um das zu erreichen, erst die Antwort des Hofes abwarten müssen, wäre der Kapitän noch vor ihrer Ankunft zu Grunde gerichtet gewesen. Ich that mehr, ich begab mich auf das Schiff, um die Mannschaft zu vernehmen. Ich nahm den Abbé Patizel mit mir, den Kanzler des Consulats, der allerdings nur sehr unlustig mitkam, in so hohem Grade besorgten alle diese armen Leute, das Mißfallen des Senats zu erregen. Da ich wegen des Verbotes nicht an Bord steigen konnte, blieb ich in meiner Gondel und nahm in derselben mein Protokoll auf, indem ich sämmtliche Leute der Bemannung mit lauter Stimme hinter einander verhörte und meine Fragen der Art stellte, daß ich ihnen nur Antworten entlockte, die ihnen günstig waren. Dieser ein wenig kühne Schritt hatte indessen einen
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