Rousseau's Bekenntnisse
andern ein und schämte sich nicht, mir zu sagen, wenn ich die Einkünfte aus der Kanzlei bezöge, so wäre es auch nur gerecht, daß ich die Kosten derselben bestritte. Ich wollte mich über diesen Punkt nicht mit ihm zanken, und habe seitdem Tinte, Papier, Siegellack, Wachslichte und dergleichen bis zu dem Amtssiegel hinauf für mein eigenes Geld angeschafft, ohne daß er mir je auch nur einen Heller wieder erstattet hätte. Das hielt mich nicht ab, einen kleinen Theil von den Gebühren für die Pässe dem Abbé Binis, einem gutmüthigen Menschen, abzugeben, der weit davon entfernt war, auf dergleichen Anspruch zu machen. Wenn er gegen mich zuvorkommend war, so war ich nicht weniger artig gegen ihn, und wir haben stets in freundschaftlichem Verhältnisse zu einander gestanden.
Was die Führung der Geschäfte anlangte, so fand ich sie für einen Menschen ohne Erfahrung an der Seite eines Gesandten, der eben so wenig besaß wie ich und dessen Unwissenheit und Starrsinn noch obendrein wie zum Vergnügen allem entgegenarbeitete, was mir die gesunde Vernunft und meine geringen Kenntnisse für seinen und des Königs Dienst Vorteilhaftes eingaben, weniger schwierig, als ich befürchtet hatte. Das Vernünftigste, was er that, war, sich mit dem spanischen Gesandten, dem Marquis von Mari, einem gewandten und schlauen Manne, zu verbünden, der ihn, wenn er Lust gehabt, an der Nase herumgeführt hätte, der ihm indessen bei dem gemeinschaftlichen Interesse beider Kronen gewöhnlich guten Rath ertheilte, wenn der Andere seine Rathschläge nur nicht dadurch wieder verdorben hätte, daß er bei der Ausführung noch immer etwas von seiner eigenen Klugheit dazu that. Das Einzige, was sie gemeinsam hätten thun sollen, war, die Venetianer zur Beobachtung der Neutralität anzuhalten. Diese verfehlten auch nicht, die treue Wahrung derselben zu betheuern, während sie den österreichischen Truppen ganz öffentlich Munition und unter dem Vorwande, es wären Deserteure, sogar Rekruten lieferten. Herr von Montaigu, der sich, wie ich glaube, bei der Republik beliebt machen wollte, verabsäumte trotz meiner Gegenvorstellungen auch nicht, mich in allen seinen Depeschen die Versicherung geben zu lassen, daß sie nie die Neutralität verletzen würde. Der Eigensinn und die Dummheit dieses armen Mannes ließen mich jeden Außenblick die verschrobensten Dinge schreiben und thun, die ich in meiner Stellung nicht ablehnen konnte, die mir aber bisweilen mein Amt unerträglich und sogar fast unausführbar machten. So verlangte er zum Beispiel durchaus, daß der größte Theil seiner Depeschen an den König wie der an den Minister in Chiffern geschrieben würde, obgleich beide schlechterdings nichts enthielten, was eine solche Vorsicht nöthig machte. Ich stellte ihm vor, daß zwischen Freitag, an dem die Depeschen des Hofes eintrafen, und Sonnabend, an dem die unsrigen abgingen, nicht Zeit genug für die Anwendung der Chifferschrift so wie für die starke Correspondenz vorhanden wäre, die mir durch die rechtzeitige Absendung mit jenem Couriere aufgebürdet wurde. Er entdeckte ein bewunderungswürdiges Auskunftsmittel, nämlich das, schon am Donnerstage die Antwort auf die Depeschen, welche erst am nächsten Tage ankommen sollten, aufzusetzen. Dieser Gedanke schien ihm so glücklich, daß ich mich, was ich ihm auch über die Unmöglichkeit und Absurdität seiner Ausführung sagen konnte, nach ihm richten mußte. Während der ganzen Zeit meines Weilens bei ihm habe ich mir einige Worte, die er im Laufe der Woche flüchtig gegen mich äußerte, sowie einige ganz bedeutungslose Neuigkeiten, die ich bald da, bald dort auflas, aufzeichnen müssen, und dann nie verfehlt, ihm am Donnerstag Morgen einen nur auf dieses Material gestützten Entwurf der Depeschen zu bringen, die am Sonnabend abgehen sollten, vorbehaltlich einiger Zusätze oder Verbesserungen, die ich nach den am Freitag eintreffenden, auf welche die unsrigen ja als Antwort dienen sollten, in aller Eile machte. Auch noch eine andere sehr drollige Sonderbarkeit hatte er, die seiner Correspondenz etwas ungemein Lächerliches gab, nämlich die, jede Nachricht an ihre Quelle zurückzuschicken, anstatt sie ihren Lauf verfolgen zu lassen. Herrn Amelot zeigte er die Nettigkeiten vom Hofe an, Herrn von Maurepas die von Paris, Herrn von Havrincourt die von Schweden, Herrn De la Chetardin die von Petersburg und mitunter einem jeden gerade die, welche von ihm selber herrührten und die ich dann ein wenig
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