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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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gereizt, aber ohne leidenschaftliche Erregung, daß ich die Ehre hätte, täglich an seiner Tafel zu speisen, und es deshalb, wenn der Herr Herzog von Modena bei seinem Erscheinen meine Entfernung von derselben verlangte, ihm seine hohe Stellung und mir meine Pflicht geböte, ihm nicht zu willfahren. »Wie,« sagte er heftig, »mein Secretär, der nicht einmal Edelmann ist, beansprucht mit einem Herrscher zu speisen, wenn meine Edelleute es nicht dürfen!« – »Ja, mein Herr,« versetzte ich, »das Amt, mit welchem mich Eure Excellenz beehrt hat, adelt mich, so lange ich ihm vorstehe, so sehr, daß ich sogar vor Ihren Edelleuten oder sogenannten Edelleuten den Vorrang habe und mir da der Zutritt offen steht, wo sie ihn nicht haben können. Sie wissen sehr wohl, daß ich an dem Tage, an welchem Sie Ihren öffentlichen Einzug halten werden, durch das Ceremoniel und eine uralte Sitte berufen bin, Ihnen im Staatskleide zu folgen und mit Ihnen im Palast des heiligen Markus zu speisen; und ich sehe nicht ein, weshalb ein Mann, der mit dem Dogen und dem Senat von Venedig öffentlich speisen darf und muß, nicht mit dem Herrn Herzog von Modena im Privatkreise essen sollte.« Obgleich sich dagegen nichts einwenden ließ, ergab sich der Gesandte keineswegs; aber wir hatten keine Gelegenheit, den Streit zu erneuern, da der Herr Herzog von Modena nicht erschien, um bei ihm zu speisen.
    Von nun an hörte er nicht auf, mir Unannehmlichkeiten zu bereiten und mich zurückzusetzen, indem er sich bestrebte, mir die mit meiner Stellung verbundenen kleinen Vorrechte zu nehmen, um sie auf seinen lieben Vitali zu übertragen; und hätte er es sich unterstehen dürfen, ihn an meiner Stelle zum Senat zu senden, so hätte er es sicherlich gethan. Zur Abfassung seiner Privatbriefe berief er gewöhnlich den Abbé von Binis in sein Cabinet; er bediente sich seiner auch, um in Betreff der Angelegenheit des Kapitäns Olivet einen Bericht an Herrn von Maurepas aufzusetzen, in welchem er meiner, der doch allein damit zu thun gehabt hatte, nicht allein nicht erwähnte, sondern mir sogar die Ehre der Aufnahme des Protokolls raubte. Bei Einsendung einer Abschrift desselben schrieb er es nämlich Patizel zu, der nicht ein einziges Wort dabei gesprochen hatte. Er wollte mich seinem Günstlinge zu Liebe demüthigen, sich aber meiner nicht entledigen. Er sah ein, daß es ihm nicht mehr eben so leicht werden würde, für mich einen Ersatz zu finden wie für Herrn Follau, der seinen Charakter schon hinreichend geschildert hatte. Er bedurfte durchaus eines Secretärs, der wegen der Antworten des Senats Italienisch verstand, der ohne sein Zuthun alle seine Depeschen, alle seine Angelegenheiten besorgte, der mit dem Vorzuge, ihm gut zu dienen, die Erbärmlichkeit verband, seinen armseligen Edelleuten gegenüber den Augendiener zu spielen. Er wollte sich also meiner versichern und mich dadurch an sich fesseln, daß er mich von meiner und seiner Heimat fern hielt, ohne Geld, dorthin zurückzukehren; und vielleicht würde es ihm geglückt sein, hätte er es weniger auffallend angestellt. Aber Vitali, der andere Absichten hatte und mich zur Entscheidung zwingen wollte, setzte seinen Zweck durch. Sobald ich einsah, daß meine Mühe vergebens war, daß mir der Gesandte meine Dienste zum Verbrechen anrechnete, anstatt mir dafür Dank zu wissen, daß ich bei ihm nichts mehr zu hoffen hatte als häusliche Verdrießlichkeiten und dienstliche Ungerechtigkeit, und daß mir bei dem üblen Rufe, in den er sich überall gesetzt, seine bösen Dienste wohl zum Schaden, seine guten aber nicht zum Nutzen gereichen konnten, so verlangte ich von ihm kurz entschlossen meinen Abschied, obgleich ich ihm Zeit ließ, sich einen neuen Secretär zu verschaffen. Ohne darauf ja oder nein zu sagen, trieb er es immer in derselben Weise fort. Als ich sah, daß keine Veränderung zum Bessern eintrat, und daß er keine Anstalt traf, einen andern Secretär zu suchen, so schrieb ich an seinen Bruder und bat ihn unter ausführlicher Auseinandersetzung meiner Gründe Seine Excellenz zur Bewilligung meines Abschieds zu bewegen, indem ich hinzufügte, daß es mir unter keinen Umständen möglich wäre zu bleiben. Ich wartete lange Zeit und erhielt keine Antwort. Bereits begann ich in große Verlegenheit zu gerathen, als endlich der Gesandte einen Brief von seinem Bruder bekam. Er mußte sehr derb gewesen sein, denn obgleich bei dem Grafen leidenschaftliche Zornausbrüche häufig vorkamen, war ich

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