1281 - Der dreifache Tod
Besonders die Frau war kaum zu sehen. Sie hatte sich der Umgebung angeglichen. Ihr Körper wurde von einem hautengen Kostüm umspannt. Es bestand aus weichem und geschmeidigem Leder, das auch nicht knarrte, wenn sich die Frau bewegte. Das Gesicht wurde von einer dunklen Halbmaske bedeckt, und der Körper selbst sah am Rücken recht unförmig aus. Das jedoch deutete nicht auf Verwachsungen hin. Es lag einzig und allein an der Waffe, die die Frau bei sich trug. Ein Köcher mit Pfeilen war am Rücken befestigt, und die dazugehörige Armbrust hatte sie über die linke Schulter gehängt.
Der Mann war ebenfalls dunkel gekleidet. Er hätte sich noch sein Gesicht schwärzen können, aber darauf hatte Suko verzichtet.
Sie gingen dorthin, wo sich eine schmale Gasse zwischen zwei Gebäuden auftat. Sie war nicht lang und endete an einer Stelle, vor der es dunkel schimmerte..
Dort befand sich das Wasser eines stillgelegten Hafenbeckens. Es schimmerte ölig auf der Oberfläche, auf der zudem einiges an Treibgut schwamm, das irgendwelche Umweltsünder einfach ins Wasser geworfen hatten.
Shao hatte Suko den Vortritt gelassen und sicherte ihn nach hinten hin ab. Bisher hatten sie Glück gehabt. Es waren keine Verfolger zu sehen gewesen, und es waren ihnen auch keine Wächter über den Weg gelaufen.
Am Ende der Gasse blieb Suko stehen. Eine Sekunde später war Shao bei ihm. Sie schaute sich kurz um, bevor sie die Frage stellte. »Niemand zu sehen. Bist du zufrieden?«
»Bis jetzt schon. Aber das hat nichts zu sagen. Ich weiß, dass sie Wächter aufgestellt haben müssen.«
»Und wo?«
»Keine Ahnung. Zumindest aber im Lagerhaus.«
»Okay, da sind wir ja bald.«
Suko bremste den Einsatzwillen seiner Partnerin. »Sei nicht zu voreilig, Shao. Ich weiß nicht genau, was uns dort erwartet, aber eines ist sicher. Ein Spaß wird das nicht werden. Wer immer auf diese Trümpfe setzt, der macht es nicht umsonst. Der weiß genau, wie die Dinge liegen, und der weiß, was er in den Händen hält.«
»Deshalb sind wir ja hier.«
Suko lachte kaum hörbar. »Ich wünschte mir, wir hätten es schon hinter uns.«
»Dann komm endlich«, drängte Shao.
Sie war wild darauf, wieder zum Einsatz zu kommen. Lange genug hatte es gedauert, bis sie wieder als Phantom aus dem Jenseits in Erscheinung trat. Aber diesmal musste es so sein. Es gab Dinge, die keinen Aufschub duldeten. Unter der Oberfläche war einiges in Bewegung geraten, und hätte Suko nicht so gute Beziehungen zu seinen »Vettern« gehabt, wäre ihnen wahrscheinlich nichts aufgefallen. Aber es gab tatsächlich jemand in der Stadt, der über ein bestimmtes Viertel die Herrschaft antreten wollte. Da ihm dies mit normalen Mitteln nicht gelungen war und Menschen sich gewehrt hatten, spielte er nun mit deren Angst, denn er hatte versprochen, das Grauen herzuholen.
»Alles klar?«
»Geh schon!«, flüsterte Suko.
Suko lächelte kurz in das Gesicht seiner Partnerin hinein. Sie war durch die Halbmaske kaum zu identifizieren, und das war gut so. Es gehörte auch zum Ritual, denn als Phantom aus dem Jenseits kämpfte Shao praktisch auch für die Sonnengöttin Amaterasu, unter deren Schutz sie stand. Zudem war sie die Letzte in der langen Ahnenreihe dieser uralten Gestalt, und sie wusste, was sie zu tun hatte.
Ansonsten führte sie ein recht normales Leben zusammen mit ihrem Partner Suko. Sie war eine begeisterte Computer-Frau. Sie chattete gern, und sie hatte dabei das Gefühl, immer unterwegs zu sein und nicht in der Wohnung zu sitzen.
Das hier war wieder etwas anderes. Hier ging es um große Dinge, und hier musste etwas im Keim erstickt werden. Wenn es dem dreifachen Tod gelang, in der Stadt Fuß zu fassen, war das nicht gut.
Das mussten sie verhindern.
Shao und Suko liefen dicht am Wasser entlang, zwei einsame Gestalten, die den Einsatz auf ihre Kappe genommen hatten, denn weder ihren Freund John Sinclair hatten sie informiert, noch Sukos Chef, Sir James. Für Suko war es eine Sache, die nur ihn etwas anging und sonst keinen, abgesehen von Shao. Sollten sich die Dinge später zu negativ entwickeln, konnte man immer noch zu anderen Maßnahmen greifen. Vorerst wollten sie die Lage zu zweit checken und auch eingreifen, um schon zu Anfang Zeichen zu setzen.
Es war eine warme und auch recht schwüle Nacht. Die Luft drückte, und das alte Wasser strömte von seiner Oberfläche her einen fauligen Geruch ab. Das Pflaster lag schon sehr lange und sah recht mitgenommen aus. An einigen Stellen
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