Roxelane
dem Dunkeln, und eilfertig schlug er den Vorhang über das Bild herunter, vor dem er noch soeben in inbrünstigem Gebet gelegen hatte.
Das Bild war eine wertvolle Ikone in Gold, farbig mit Edelsteinen ausgelegt. Christus in seiner Verklärung stellte die Ikone dar und die Anbetung der Jünger.
Prunkstücke wie dieses waren nun wohl keine Seltenheit in den sonst so armen Kosakenhütten. Als geraubtes Gut ging viel durch Chortiza und die andern Dörfer. Aber immer war solch Geschmeide dann byzantinischer oder wohl auch einmal italienischer Herkunft. Denn aus ihrer genuesischen und venezianischen Zeit waren den Küstenstädten der Krim auch italienische Kunstwerke geblieben.
Serafims Ikone kam jedoch unzweifelhaft aus dem Norden.
Sie war russische Arbeit, und alles deutete auf das Großfürstentum Moskau als Ursprungsland. Ein Geschenk des beutereichen Denko Grechnoy war diese Ikone, und Serafim hatte sie genommen, weil er des Glaubens war, daß eine Ikone eine Ikone sei und daß allein die rechte Anbetung sie heilige.
Nur Rosska ließ er niemals einen Blick auf das Bildwerk werfen. Außer Denko war Serafim auch wohl der einzige auf Chortiza, dem Rosskas Herkunft bekannt war; denn es war nicht anzunehmen, daß Denko dem Priester das Geheimnis in der Beichte verschwiegen habe. Aber das Siegel eben dieser Beichte verschloß Serafim den Mund, und er hätte schon gefürchtet, es zu verletzen, wenn er dem Mädchen nicht den Namen gegeben hätte, den alle ihr gaben, nämlich Rosska. Daß sie mit dem erschlagenen Bojaren Zusammenhänge, sahen die Leute auf Chortiza fast als gewiß an. Aber ob Rosska nun ein Fürstenkind oder die Tochter einer Leibeigenen sei - das kümmerte sie wenig, und von Vater Serafim erfuhren sie es nie.
Ihm galt alles Irdische nichts gegen Rosskas Seele, die er von Christus noch so weit entfernt wußte. Ihm lag es fern, Vergessenes in ihr zu wecken, das im Erwachen vielleicht unchristlichen Haß in ihr junges leidenschaftliches Herz geworfen hätte.
So verhüllte er denn auch jetzt die Ikone mit Hast.
Und dann begann er.
Nach langem Ringen mit Rosska sah Serafim aber voll Kummer, daß er mit seinen Befürchtungen recht gehabt hatte.
Es kam weder zur Beichte noch zur Sündenvergebung. Denn wie konnte Serafim, der Priester, vergeben, was gar nicht bereut wurde? „Gut“, sagte Rosska, „ich habe ihn getötet.“
Sie hatte sich schon so oft dazu bekannt, daß in ihrem Geständnis allmählich eine kleine Herausforderung mit unterlief.
„Gar nicht gut, Schwesterchen“, ereiferte sich daher Serafim, „oh, wenn du es doch einsehen würdest!“
„Er hat nach meiner Katze geworfen“, beharrte sie dagegen, „ich mußte es tun!“
Stunden des Umherirrens hatten Rosskas Trotz so wenig zermürben können wie die Vorstellungen Serafims. Immer noch klagte sie an, wo sie sich nach seiner Meinung demütigen sollte.
Dabei lag ihm alles an ihrer Reue, und so sehr liebte er sie, daß er den Unfall kaum noch bedauert hätte, wenn Rosska dadurch zur Einkehr bewogen worden wäre. Könne sie sonst doch so gut sein, dachte er, und von einer Heiterkeit, die ihm so vertraut sei, und nur wenn man solchen Wesen zu nahe trete, die sie liebe, höchst irdischen Wesen übrigens wie etwa ihm, Vater Serafim, oder der Katze - dann verhärte sie sich in Trotz. Was aber könne dieses Kind noch erweichen, wenn nicht einmal der Gedanke es vermöge, den Tod eines Menschen verschuldet zu haben?
„Die Katze ist nur ein Tier“, sagte er jetzt.
„Die Katze lebt!“ rief Rosska aber und glühte. „Und wenn man nach der Katze mit Steinen wirft, tut es ihr weh, und wenn sie stirbt, ist sie tot. Aber sie soll nicht sterben“, fuhr sie fort, um nach und nach kleinlauter zu werden. „Ich habe sie gewaschen und ihr alles aufgelegt, was man den Leuten auflegen muß, wenn sie ein Loch im Leib haben. Alles habe ich getan, wie du es mir immer gesagt hast. Kann sie nun doch noch sterben, Serafim?“
Voll Angst sah sie von der Katze in ihren Armen zu ihm empor. Serafim aber drängte sich ein lästerlicher Vergleich mit der Madonna auf. Wie eine kleine Mutter sehe sie aus, mußte er denken.
„Viel zu sehr wirst du deine Kinder einst lieben“, seufzte er vor sich hin.
Aber sie hatte es doch gehört.
„Ist es böse, seine Kinder lieb zu haben?“ fragte sie, um ihre Gedanken sogleich zu berichtigen: „Ich meine nicht, daß ich den Pjotr lieb hätte, wenn ich die Marinka wäre ...“
„Man sollte sie weniger lieben als
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