Roxelane
Russenfürst mit allen seinen Leuten an den Porogen sein Leben hatte lassen müssen, und das sei es, was den Denko so verändert habe.
Man sagte viel, wenn Denko es nicht hörte.
Und nun stand Rosska ganz allein vor dem grimmigen alten Mann, mit dem sie dies eine verband, daß sie sich immer wieder an seinem
Herdfeuer einfand. Jetzt jedoch sah er gar nicht nach Herdfeuer und Frieden aus. Von seiner Nagaika trennte Denko sich zwar nie, aber daß sie ihm auch jetzt wieder vom Gürtel hing, wäre besser unterblieben.
Kein Wunder, daß den Weibern schauderte. Denn mochte Rosska auch das Schlimmste verdient haben — sie war noch ein Kind. Und die Frauen waren Mütter.
Jetzt jedoch war es soweit, daß der Alte sie beim Genick packen mußte, wie der Wolf, der er war, das Lamm packt, und er von ihr nichts übriglassen würde als nur einen blutigen Fetzen.
So dachten alle.
Es ergab sich aber, daß Rosska den Alten ansah.
Recht wie ein Herrenmädel, sagte man noch viel später, habe die Russin oder die Rote, was auf dasselbe hinauslaufe, habe eben die Rosska den Denko angesehen, wie eine Tochter der litauischen Großen im fetten Oberland, wie eine Patriziertochter aus Kiew. Und wie ein Zauber sei es gewesen, daß sich alle bekreuzigt haben.
Denn Denko... Was tat Denko?
Er senkte den Blick.
Beim heiligen Patriarchen in Konstantinopel beschworen es die Leute, der Denko habe sich nicht einmal getraut, die Rotznase auch nur anzusehen!
Denko fragte nur.
„Hast du ihn erschlagen?“ fragte er fast leise.
„Er hat meine Katze mit Steinen geworfen!“ schrie Rosska und schluchzte nicht mehr. „Töte die Jungen, töte alle, die meine Katze mit Steinen geworfen haben!“
Ein Murren entstand.
Denko aber schmiß nur einen wilden Blick hinter sich, und dabei sah er wieder wie einst aus, als er zuerst von allen aus seiner kleinen Tschaik einen achtmal stärkeren türkischen Kauffahrer geentert hatte. Unter diesem Blick verstummte das Murren hinter ihm, und er konnte sich wieder der Rosska zuwenden.
„Wenn er tot ist, wirst du dich verantworten müssen“, sagte er; aber er sagte es, wie ein Diener zu seiner Herrin spricht.
Rosska jedoch antwortete ihm nicht einmal.
„Meine Katze“, klagte sie, und jetzt hatte sie wieder Tränen, „meine liebe Katze.“
Und damit legte sie das todwunde Tier überaus zart in ihr durchlöchertes Röckchen und wendete sich zum Fluß hin. Die sinkende Sonne aber, die gerade den Strom küßte, umarmte sie mit ihrem mütterlichen Licht.
Niemand außer Marinka versuchte Rosska zu halten.
Chortiza war eine Insel, und wenn der Strom einen Flüchtling nicht verschlang, tat es die Steppe. Flucht war Rosska nicht möglich. Marinka aber war voll von Haß, und so schrie sie nach Rosska wie nach einer Sache, die ihr gehöre. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, daß die Mörderin frei ausgehen könne, doch nach dem, was sie vom Denko gesehen hatte, fürchtete sie es, und das machte sie wild. Sie rief ihren Mann.
„Chanenko!“ rief sie. „Steh nicht da hinten herum! Siehst du nicht, was man deinem Sohn getan hat?! Und hörtest du nicht, wie der Kurenoi mit ihr sprach, als wenn sie eine Heilige sei, die Rote, die Mörderin?! Sieh ihn doch an, den Denko, wie er sich über unsern Pjotr beugt, als könne er ihn wieder lebendig machen. Ich will mein Kind wiederhaben! Hörst du, Denko?! Ich will meinen Sohn! Oder ich will sehen, wie die Russin gepeitscht wird, bis nichts mehr von ihr übrig ist als nur ihr Gerippe. Du hörst nicht?! Du willst nicht?! Komm her, Chanenko! Sag du es ihm! So geh doch, Fauler, Feiger!“ Da Chanenko trotz allem nichts sagte, weil es ihm nicht gegeben war, das Kreischen seines Weibes zu übertönen, unterbrach Denko die Tobende.
„Halt’s Maul!“ gebot er der Marinka, um dann noch zu Chanenko hinzuzufügen: „Laß uns in deine Hütte gehen, Chanenko. Und sieh auf dein Weib.“
Und dann nahm Denko den reglosen Pjotr weit weniger liebevoll auf seine Arme, als Rosska es vorhin mit der Katze getan, und schritt mit dem Knaben voran.
2
Vater Serafim öffnete die Tür seines Holzhauses, das man ihm hatte aufdrängen müssen, weil er es abgelehnt hatte, besser zu wohnen, als die meisten seiner Beichtkinder in diesem holzarmen Lande wohnen konnten. Und er sei Christi niedrigster Knecht, war seine Rede gewesen, und wolle ihm in Demut dienen und nicht in Wohlleben und Hoffart.
Dem Vater Serafim war es immer Ernst mit dem, was er sprach, und das hatte es wohl auch
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