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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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mit solcher Wucht, dass ich mich erst einmal auf den großen weißen Stein am Ende unserer Einfahrt setzen musste. Dann, wie ein einzelner dicker Regentropfen, der den drohenden Guss ankündigt, stieg von irgendwo tief in meinem Innern ein kleiner Ton auf und zwängte sich durch meine Kehle. Selbstmitleid und Kummer taten sich zusammen, und ich erkannte, dass es niemanden auch nur die Bohne kümmern würde, wenn ich fortginge und nie wiederkäme. Wenn ich Carlie nicht finden konnte, würde ich mich eben einer Bande von Waisenkindern anschließen, und zusammen würden wir von Horizont zu Horizont ziehen und Abenteuer erleben.
    Doch es gab jemanden, den es kümmerte. In Grands Schlafzimmer ging das Licht an, und der Spitzenvorhang bewegte sich. Dann öffnete sich die Haustür, und Grand kam heraus und stapfte über die Straße. Als sie bei mir angekommen war, fragte sie: »Was um alles in der Welt machst du da, Florine?«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm sie meinen Koffer, und wir gingen zu ihr ins Haus.
    »Niemand liebt mich«, schluchzte ich.
    »Ach, Himmel noch mal, das ist doch Unsinn«, sagte Grand. »Ich hab tief und fest geschlafen, und als ich dich weinen hörte, bin ich sofort aufgewacht. Das ist doch wohl Liebe, oder nicht?«
    »Wenn du meinst.«
    »Ja, das meine ich. Und jetzt komm, du kannst bei mir schlafen.« Ich schlüpfte neben ihr ins Bett und schmiegte mich mit dem Rücken an ihre warme, weiche Seite.
    Als ich spät am nächsten Morgen aufwachte, saß Daddy auf der Bettkante.
    »Ich will hierbleiben«, sagte ich.
    Er widersprach mir nicht. »Vielleicht brauchen wir beide eine Pause«, sagte er. »Du kannst eine Zeit lang bei Grand bleiben, aber zum Abendessen kommst du nach Hause.«
    Wir versuchten es. Aber der Gedanke, dass Stella vermutlich kam, sobald ich das Haus verließ, machte mich verrückt. Immer öfter erfand ich Ausreden, sagte, ich hätte zu viele Hausaufgaben und müsste bei Grand essen, um alles zu schaffen. Bald ging ich kaum noch hinüber zu Daddy.

18
     
    Grand erlaubte mir, Daddys ehemaliges Kinderzimmer in einem warmen Gelb zu streichen, ich nähte mir neue Vorhänge für das Fenster, und wir brachten Daddys Kleider und Spielzeug nach oben auf den Kriechboden unter dem Dach.
    »Wirf ja nichts von Carlies Sachen weg«, sagte ich zu Daddy. »Sie kommt zurück.« Ich spürte es. Der Sommer hatte sich bereits auf den Weg hierher gemacht, und sie würde ihm bald folgen.
    »Das hoffe ich«, sagte er. Wir trugen gerade ein paar Kartons mit meinen Sachen rüber zu Grand. Daddy ging vor mir her. Plötzlich ließ er seinen Karton fallen, drehte sich um und umarmte mich ganz fest. »Du bist genauso ein Sturkopf wie ich«, sagte er in meine Haare hinein, »aber ich liebe dich mehr als alles andere. Ich hoffe, du weißt das.«
    »Ja, das weiß ich, Daddy.« Ich liebte ihn genauso.
    Ich fand es herrlich, bei Grand zu wohnen. Erstens bestand kaum die Gefahr, dass sie sich auf Männerjagd machte, und ebenso wenig würde ein Mann ihr hinterherjagen. Vermutlich würde auch niemand verschwinden, und ich wartete nicht ständig darauf, dass das Telefon klingelte. Hier konnte der Kummer sich in meinem Innern niederlassen, anstatt seine Krallen in mein Herz zu bohren und mit den Flügeln zu schlagen, um es herauszureißen. Wenn meine Sehnsucht nach Carlie zu stark wurde, war Grand da, um mich auf ihre schlichte, starke Art zu trösten. Wir kannten die Gewohnheiten des anderen, und ich wusste, was von mir erwartet wurde.
    Die Kirche zum Beispiel.
    Ich war schon mit Grand beim Gottesdienst gewesen. Das war das Einzige, worum sie Carlie und Daddy gebeten hatte, dass ich ein paarmal im Jahr mit ihr in die Kirche ging. Seitdem ich halbwegs sitzen konnte, hatte Carlie mich ab und zu am Sonntagmorgen aus dem Bett gescheucht, in mein bestes Kleid gesteckt und zu Grand gebracht. Daddy und Carlie gingen nicht in die Kirche. Daddy sagte, das Meer wäre sein Gott. Carlie glaubte, Gott sei in allem und überall. »Auch in dir«, hatte sie gesagt und den Finger auf mein Herz gelegt.
    Die Baptistenkirche lag an der Route 100. Sam Warner fuhr uns jeden Sonntag hin. Ich bezweifle, dass er von sich aus gefahren wäre, aber Ida liebte Jesus ebenfalls. Trotz ihrer Schweigsamkeit konnte Ida sich durchaus verständlich machen, und wenn sie wollte, dass Sam in die Kirche ging, dann ging er. Während der Woche konnte er seine Seele jeden Abend im Austausch gegen Bier und Schnaps an den Teufel verhökern, aber am

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