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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Prolog
    D er Wind heulte in den Baumwipfeln und fegte den Schnee von den Ästen wie Kristallstaub, der im blassen Licht des Wintermorgens funkelte.
    Jon wickelte sich die Decke enger um die Schultern, um die wenige Wärme zu bewahren, die sein Körper erzeugte. Ein bisschen Kälte würde ihn nicht umbringen. Nicht nach allem, was er erlebt hatte.
    Er war den Klauen des Unschuldstrinkers entkommen und hatte den alptraumhaften Nabelring überstanden. Er hatte seine schizophrenen Anfälle in den Griff gekriegt und die Große Schlacht überlebt …
    Nein, Jon war überzeugt, dass er sich schlimmstenfalls eine kleine Erkältung einfangen konnte.
    Eine Windböe rüttelte an den Rundhölzern des Forts und fuhr mit rasender Geschwindigkeit zu dem fröstelnden Rotschopf empor. Er hatte den Eindruck, dass man ihm die Ohren mit Sandpapier abrieb.
    »Verfluchter Wind«, zischte er wütend.
    Nicht zu glauben, dass er sich für diesen Posten freiwillig gemeldet hatte! Wäre er in Eden geblieben, hätte er den Frieden genießen, ein kleines Stück Land beackern und Freunde finden können, vielleicht sogar ein Mädchen und …
    Bloß nicht! Genau so wird man zum Zynik! Liebe macht einen erwachsener. Nein danke!
    Die Holzleiter knarzte, als Gavan, ein weiterer Pan, zu ihm auf den Ausguck hochkletterte. Das Fort war klein und ganz aus Holz: Palisaden aus spitzen Pfählen, zwei Türme und ein Wehrgang. Die Pans hatten Vorposten an den Rändern des von ihnen ausgekundschafteten Gebiets errichtet, um das unbekannte Territorium zu überwachen. Insgesamt beherbergte das Fort nicht mehr als fünf Späher. Viel geschah hier nicht. Hin und wieder huschte in der Ferne eine seltsame Kreatur vorbei, und in einem solchen Fall erstattete die winzige Garnison einem der Weitwanderer, die regelmäßig vorbeikamen, haarklein Bericht.
    Als Jon sich freiwillig für den Wachdienst gemeldet hatte, konnte er sich den Ort seines Einsatzes aussuchen. Der Osten war nicht besonders interessant, da die Forts an der Küste standen und man nur den Atlantik anstarren konnte. Der Westen war geheimnisvoller, dort gab es noch Tausende von Kilometern zu erforschen, und ganz selten stieß man sogar auf vereinzelte Jugendliche, die sich den Pans dankbar und hoffnungsvoll anschlossen. Der Süden gehörte den Zyniks, dort gab es keine Vorposten. Seit dem Bündnis war das nicht mehr nötig. Blieb also noch der Norden.
    Land der Geheimnisse, das noch immer viele Rätsel aufgab. Seit mehreren Monaten hatte sich kein Pan mehr dorthin gewagt, die ausgesandten Patrouillen waren nie sehr weit vorgedrungen, und es waren die wildesten Gerüchte darüber im Umlauf, was sich auf dem ehemaligen Gebiet Kanadas abspielte. Jon hatte keine Sekunde lang gezögert. Er hatte sich für sechs Monate zum Dienst in dem Fort verpflichtet, das von Eden aus am weitesten im Norden lag, mehr als zehn Tagesreisen vom nächstgelegenen Pan-Dorf entfernt.
    Genau das Richtige für ihn. So konnte er sich auf sich selbst konzentrieren, um sicherzugehen, dass seine Schizophrenie kein Problem mehr darstellte. Seit seiner Befreiung vom Nabelring hatte er keinen Rückfall mehr erlitten und nie die Kontrolle verloren. Dennoch fürchtete er sich noch immer. Manchmal wachte er mitten in der Nacht keuchend auf, überzeugt, einen Teil des vergangenen Tages verpasst zu haben, weil sein anderes Ich das Ruder übernommen hatte. Doch die anderen konnten ihn stets beruhigen, dass es nicht dazu gekommen war. Es war, als habe ihn die Wucht des Traumas geheilt.
    Nur zu welchem Preis …
    Die Alpträume holten ihn oft ein, und Jon wusste, dass es den anderen, die den Ring der Zyniks am Nabel getragen hatten, genauso erging. Sie konnten nur noch selten durchschlafen. Sie hatten ständig Angst.
    Angst, dass es eines Tages wieder von vorn beginnen könnte.
    »Und?«, fragte Gavan.
    Jon zuckte zusammen.
    »Wie immer unglaublich viel los«, sagte er und atmete durch. »Kurz nach Tagesanbruch zog ein Rudel Wölfe vorbei, seither nichts. Wir könnten auf Exkursion gehen, was meinst du? Dann wird uns ein bisschen warm!«
    Die in den Vorposten stationierten Pans beschäftigten sich hauptsächlich mit kurzen Expeditionen zu wissenschaftlichen, botanischen und mineralogischen Zwecken oder zur Erfassung von neuen Tierarten.
    Gavan seufzte.
    »Manchmal wünsche ich mir ein bisschen mehr Action, meinetwegen sogar einen Nachtschleicher! Das brächte etwas Abwechslung!«
    Jons Miene verfinsterte sich.
    »Sag so was nicht. Ein

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