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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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aus meinem Kopf und genoss lieber jede neue Lichtminute, die der März uns brachte.
    Bud saß weiterhin im Auto, und er hinterließ mir kleine Geschenke. Am Valentinstag legte er ein weißes Zuckerherz mit der Aufschrift »Tolles Mädchen« auf den Beifahrersitz, und am Saint Patricks Day fand ich ein grünes Band an Petunias Lenkrad. Ich strickte ihm eine schwarze Mütze, und am Tag nachdem ich sie ins Auto gelegt hatte, fand ich an der Stelle einen großen Kirschlutscher.
    Eines Tages Anfang März sah ich, wie er sich in den Schuppen schlich, und beschloss, ihm Gesellschaft zu leisten. Ich setzte mich neben ihn auf den Beifahrersitz, und wir blickten durch die Windschutzscheibe und das offene Tor hinunter auf das dunkelblaue Wasser des Hafens. Eisschollen trieben vorüber, auf dem Weg in ihren salzigen Tod.
    »Bald wird’s Frühling«, sagte Bud.
    »Bestimmt«, sagte ich.
    Das würde meine dritte Jahreszeit ohne Carlie sein. »Eines Tages«, sagte Bud, »werde ich für immer von hier wegfahren.«
    »Warum?«
    »Ich will nicht mein ganzes Leben hier verbringen. Ich will kein Fischer werden.«
    »Wohin willst du denn?«
    »Irgendwohin, wo ich nicht jeden kenne. Vielleicht nach Long Reach. Vielleicht auch noch weiter weg. Keine Ahnung. Fühlst du dich nicht auch manchmal eingesperrt?«
    »Meistens fühle ich mich, als hätte ich ein Loch in mir«, sagte ich. Möwen landeten auf den Eisschollen im Hafen und surften an uns vorbei. »Carlie fühlte sich hier eingesperrt. Sie wollte dauernd irgendwohin.«
    »Kann ich nachvollziehen«, sagte Bud. »Manchmal macht es mich so kribbelig, dass ich nachts aufstehe und draußen rumlaufe, bis ich müde bin. Ich muss mich einfach bewegen. Meine Beine halten nicht still.«
    Ich stellte mir seine einsame, rastlose, magere Gestalt vor, die über die dunklen Straßen wanderte, seine Schritte, die auf dem Kies knirschten oder über den Asphalt schlurften.
    »Findest du mich verrückt?«, fragte er. Ich wandte mich zu ihm um.
    Wir sahen uns an und erkannten beide gleichzeitig, dass etwas anders war. Wir hatten uns immer wie durch Wasser gesehen, durch eine wellige, flüssige, sichere Distanz. Doch in dem Moment, dort im Auto, verdunstete das Wasser und wurde zu Luft, klar, trocken und wahrhaftig.
    »Nein, ich finde dich nicht verrückt«, sagte ich, und mein Herz stieg auf wie ein weißer Luftballon.
    Buds Augen weiteten sich, dann stieß er unvermittelt die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Ich blinzelte erschrocken. »Erzähl niemandem, dass ich nachts draußen rumlaufe, okay?«, sagte er, schlug die Tür zu, ein bisschen lauter als nötig, und lief davon. Ich zupfte an dem Band, das mein Herz in der Luft hielt, und zog es sanft zurück an seinen Platz.
     
    Am ersten Frühlingstag stiegen Dottie und ich bei Rays Laden aus dem Bus. Wir hatten uns angewöhnt, auf dem Heimweg von der Schule noch etwas zum Naschen zu holen. Dottie ging immer rein, um die Sachen zu kaufen, weil ich Stella nicht sehen wollte. Als wir an dem Tag draußen vor dem Laden standen und Dottie zwei Schokomuffms aus der Folie pulte, sagte sie: »Dein Dad ist drinnen.«
    »Das darf doch nicht wahr sein.« Ich ignorierte den Muffin, den sie mir hinhielt, und marschierte in den Laden. Daddy hatte sich auf Stellas Tresen gelehnt, doch als er mich bemerkte, richtete er sich auf und sah mich mit schuldbewusster Miene an. Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürmte nach draußen. Daddy folgte mir.
    »Triffst du dich wieder mit ihr?«, fragte ich ihn, während wir nach Hause gingen. »Nur damit ich Bescheid weiß.«
    »Nein, ich treffe mich nicht mit ihr.«
    »Gut.«
    »Was willst du zum Abendessen?«
    »Wieso, warst du zu sehr mit Reden beschäftigt, um was im Laden zu kaufen?«
    »Jesses«, sagte Daddy. »Wozu brauche ich eine Frau? Du piesackst mich schon genug.«
    Vielleicht hatte er an dem Tag nicht gelogen, aber eines Nachts Anfang April hörte ich Schritte draußen vor dem Haus. Ich sprang aus dem Bett und sah aus dem Fenster. Zwei Gestalten gingen die Einfahrt hinunter Richtung Straße. Die größere musste Daddy sein, aber wer war die kleinere? Dann verstand ich.
    Ich ging in die Küche. In der Luft hing ein Rest von Stellas Parfüm und etwas, von dem ich damals noch nicht wusste, dass es der Geruch von Sex war. Die Schlafzimmertür stand einen Spalt offen, und ich sah, dass das Bettzeug zerwühlt war.
    »Du miese Schlampe«, sagte ich in die Dunkelheit. Wütend auf mich selbst, weil ich so tief geschlafen und

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