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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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zu rechtfertigen.
    »Das hat sie verdammt beschissen angestellt«, entgegnete ich darauf.
    »Sie fühlt sich schrecklich, Florine.«
    »Umso besser.«
    »Tja, mein Herz, du wirst ihr trotzdem vergeben müssen, denn wenn sie dich hier rauslassen, musst du erst mal mit zu uns kommen. Du kannst keine Treppen steigen.«
    »Nur über meine Leiche.«
    »Dir bleibt gar nichts anderes übrig.«
    »Was wird aus Andy, wenn er aus dem Krankenhaus kommt?«, fragte ich.
    »Von mir aus kann er sich im nächsten Gully ertränken«, erwiderte Daddy.
    Dottie drückte es nicht ganz so drastisch aus. »Parker hat gesagt, Mr. Barrington schickt Andy auf irgendeine Militärschule. Anscheinend hängt er ein Jahr hinter uns her, weil er so oft rausgeflogen ist. Er kriegt jetzt bis zum Sommer Privatunterricht, und dann muss er für ein Jahr in den Drill.«
    Die Vorstellung, wie sie ihn beim Militär zu einer Holzfigur zurechtstauchen würden, brach mir das Herz. Es war, als würde man eine Möwe vom Himmel holen und sie in ein Huhn verwandeln. Ich trauerte um seinen freien Geist. Mit Janes Hilfe versuchte ich eines Abends, ihn anzurufen. Ich gab ihr die Nummer, und sie kümmerte sich um den Rest. Sie rief eine Freundin in Boston an, die in dem Krankenhaus arbeitete, in dem Andy lag. Doch als sie mit ihr sprach, erfuhr sie, dass Andy nicht telefonieren durfte.
    Wenn ich oben in den Wolken schwebte, dachte ich daran, wie wir unter einem Berg von Decken auf dem kalten Fußboden vor dem Kamin gelegen hatten. Das und ihn zu verlieren, schmerzte an einer Stelle, die kein Arzt reparieren konnte. Und so tat ich dasselbe, was ich getan hatte, als Carlie in meiner Erinnerung zu verblassen begann: Ich ging sämtliche Sinne durch; wie Andy aussah, wie er roch, schmeckte, klang und sich anfühlte. Ich erzählte Jane von ihm, mitten in der Nacht, wenn sie Schicht hatte. Ich erzählte ihr auch von Carlie, und sie sagte, sie erinnere sich, dass sie davon gelesen und sich gefragt hatte, was wohl passiert war. Ich sagte ihr, dass ich mich das auch jeden Tag fragte.
    Parker kam zu mir ins Krankenhaus, um sich meine Version der Barrington-Geschichte anzuhören, aber da ich mich kaum an etwas erinnerte, konnte ich ihm nicht viel erzählen. Bevor er ging, versprach er mir noch einmal, weiter nach Carlie zu suchen, bis in alle Ewigkeit, wenn es sein musste. »Denk ja nicht, das würd ich nicht tun«, sagte er, und ich tat so, als glaubte ich ihm.

46
     
    Es dauerte fast einen Monat, bis ich mich bewegen konnte, ohne zu fluchen oder vor Schmerz aufzuschreien. Als die Wunden verheilt waren und ich nicht mehr so starke Medikamente brauchte, meinte Jane, es sei an der Zeit, dass ich nach Hause kam.
    Am 24. Februar, genau einen Monat nach dem Unfall, rollte sie mich, flankiert von Daddy und Dottie, zum Ausgang. Daddy war statt mit seinem Pick-up mit Madelines Auto gekommen, und zu dritt hievten sie mich auf den Rücksitz. Sie schoben mir ein Kissen unter das Korsett und die Halskrause und legten mein Bein hoch. Ich bat Jane, mich in The Point besuchen zu kommen.
    »Da gibt’s Hummer umsonst«, sagte ich. »Und die Aussicht obendrein.«
    Sie versprach es mir, aber ich wusste, dass sie es nicht tun würde. Engel kommen und gehen.
    Stella erwartete uns in der Einfahrt, aber ich weigerte mich, sie anzusehen. Glen und Bud halfen Daddy, mich ins Haus und in mein ehemaliges Zimmer zu verfrachten. Dort erwartete mich ein Krankenhausbett samt Radio, einem kleinen Fernseher und einem Tablett für Essen, Bücher oder was ich sonst brauchte. Auf dem Tablett stand eine schmale Vase mit einer pinkfarbenen Rose und einer »Willkommen zu Hause«-Karte, die alle aus The Point unterschrieben hatten.
    Dann gingen die anderen, und Daddy, Stella und ich blieben allein zurück.
    »Hast du Hunger?«, fragte Stella.
    »Warum hast du Andy und mich verpfiffen?«, entgegnete ich.
    »Kann das nicht wenigstens eine Viertelstunde warten?«, sagte Daddy.
    »Schon gut, Leeman«, sagte Stella. »Ich nehme an, sie hat ein Recht, danach zu fragen.«
    »Allerdings«, sagte ich.
    Sie holte tief Luft, und ihre Narbe lief dunkelrot an. »Ich weiß, du bist wütend. Und wenn ich gewusst hätte, was passiert, hätte ich es nicht getan. Aber, Florine, der Junge hat in einem eiskalten Sommerhaus gewohnt. Er hat mit Drogen gehandelt, und er hätte dich schwängern können. Oder ihr hättet verhaftet werden können.«
    »Oder wir hätten beinahe bei einem Autounfall ums Leben kommen können, Herrgott noch

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