Ungezähmt: Die Katze (German Edition)
Kapitel 1
April 1605
Wenn es etwas gab, das
Gideon sofort spürte, dann war es, wenn Ärger im Anflug war.
Er war ein gestandener
Mann, hielt sich für mehr oder weniger intelligent, und hatte die Erfahrung
gemacht, dass er seinen Instinkten durchaus trauen konnte. Und es hatte sich
bezahlt gemacht, das kriechende Gefühl in seinem Nacken nicht logisch wegzuerklären,
sondern ihm auf den Grund zu gehen.
Das Gefühl,
dass der Ärger, der diesmal auf ihn zukam, gewaltiger werden würde als alles,
was er je erlebt hatte, hatte er schon seit Stephens Gilbrands Botschaft gehabt
und es hatte sich kein Stück verringert.
Der alte Freund hatte
ihn um Hilfe gebeten, sich aber nicht näher erklärt. Und allein das hieß, dass
sein Freund in Schwierigkeiten steckte. Bereits beim Lesen der hastig dahin
gekritzelten Nachricht hatte er ein unangenehmes Schaudern verspürt.
Aber Freunde ließ man
nicht hängen und so hatte er dem Hilferuf entsprochen und sich nach Hastings
begeben. Das Schaudern wurde zu einem ekelhaften Kribbeln, als Stephen ihn am
Mietstall unauffällig abgefangen und dann in eine herunter gekommene Spelunke
geschleift hatte. Warum versteckte er sich?
Und von da an war
eigentlich alles schief gegangen.
Stephen
hatte ihm berichtet, dass jemand sein Familienvermögen dezimierte. Hier mal ein
Armband, dort eine Brosche, ein mit Juwelen besetzter Dolch, Kleinigkeiten, die
nicht sofort auffielen. Und Stephen selbst hatte eine ganze Weile gebraucht, um
es zu bemerken.
Dann hatte er
angefangen, die fehlenden Dinge aufzulisten und war schlicht entsetzt gewesen.
Gewaltige Summen verschwanden auf diese Weise.
Und so war er auf der
Suche nach dem Schmuck bis nach Hastings gereist, da einige Stücke bei einem
Französischen Hehler aufgetaucht waren, der bevorzugt aus Hastings seine Waren
bezog.
Gideon hatte ihm
zugehört und ihn dann stumm angestarrt, bis er es nicht mehr aushielt.
„Und du kommst hier
her, allein und ohne Rückendeckung, während dein kleiner Bruder allein zuhause
ist?“, fragte er dann, fassungslos über Stephens Unbesonnenheit.
„Cat ist bei ihm und
passt auf ihn auf. Außerdem ist Christopher inzwischen schon vierzehn“,
antwortete Stephen.
Gideon wischte das
beiseite. „Trotzdem ist er schutzlos.“
Stephen schüttelte den
Kopf. „Ihm kann nichts passieren, glaube mir.“
Gideon bezweifelte das.
„Wenn dich jemand seit längerer Zeit bestiehlt, kennt er sich bei euch aus. Er
lebt vielleicht auf der Burg. Also ist der Junge nicht in Sicherheit.“
„Das ist ja das, was
ich nicht verstehe“, erklärte Stephen. „Unser Gutsverwalter ist sauber, Cat
braucht kein Geld und Christopher schließe ich mal aus Prinzip aus.“ Er ließ
eine Pause. „Und wer macht sich einen so großen Aufwand? Leeds beherbergt auch
genug Hehler, warum muss derjenige die Sachen in Hastings versetzen?“
Gideon schaute ihn fest
an. „Ich würde sagen, weil er erstens nicht erwischt werden wollte, da er das
zweitens schon sehr lange tut und drittens nicht vorhat, damit aufzuhören.“
Stephen seufzte. „Du
hast ja recht, aber…“
„Wer lebt bei euch und
wird das auch noch länger tun?“
„Außer Christopher und
Cat? Naja, Michael, Gordon, Seamus, Lyle und Keith. Dann noch Collins, der
Gutsverwalter, Morrison, der Majordomus und Onkel Harold. Ansonsten natürlich
die Bediensteten und die Pächter.“
„Hmm“, brummte Gideon.
„Nehmen wir nur die, die auf der Burg leben, und die auch etwas von dem Geld
hätten.“
Stephen
nickte lakonisch. „Michael, Gordon, Seamus, Lyle, Keith, Collins, Morrison und
Harold.” Er krauste die Stirn. „Michael, Gordon, Seamus, Lyle und Keith würden
das nie tun. Sie sind Familie. Außerdem leben sie nicht über ihre Verhältnisse
und abgesehen von Keith hat keiner eine eigene Familie.“
„Was ist mit Cat?“
„Vergiss es. Da lege
ich die Hand für ins Feuer.“
Gideon resümierte.
„Bleiben also Collins, Morrison und Harold.“ In seiner Liste war Cat keineswegs
gestrichen, aber Stephen beharrte so stur auf dessen Unschuld, dass er das
Thema lieber fallen ließ.
Stephen nickte.
„Und die sind jetzt mit
Christopher allein“, stellte er fest.
„Nein, nur Collins ist
auf Gilbrand. Morrison ist bei der Beerdigung seiner Mutter und Harold ist in
London.“
Gideon war kurz davor,
die Geduld zu verlieren. „Wenn du schon weißt, dass es nur einer der zwei sein
kann, warum scheuchst du mich dann einmal quer durchs Land?“
„Genau
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