Jenseits Der Schatten
1
Logan Gyre saß im blutigen Schlamm des Schlachtfeldes bei Pavvils Hain, als Terah Graesin zu ihm kam. Es war kaum eine Stunde her, dass sie die Khalidori vernichtend geschlagen hatten, als der monströse Ferali, der geschaffen worden war, um die cenarische Armee zu verschlingen, sich stattdessen gegen seine khalidorischen Meister gewandt hatte. Logan hatte die Dinge befohlen, die ihm am dringlichsten erschienen waren, und dann all seine Leute entlassen, damit sie an den Feiern teilnehmen konnten, die im Lager der Cenarier abgehalten wurden.
Terah Graesin kam allein. Logan saß auf einem niedrigen Felsen, ohne den Schmutz ringsum zu beachten. Das feine Tuch seiner Kleider war so mit Blut und Schlimmerem besudelt, dass sie ohnehin nicht mehr brauchbar sein würden. Terahs Gewand dagegen war bis auf den unteren Saum makellos. Sie trug zwar hohe Schuhe, aber sie waren nicht hoch genug, um sie vor dem dicken Matsch zu schützen. Als sie Logan erreichte, blieb sie vor ihm stehen. Er erhob sich nicht.
Sie tat so, als bemerke sie es nicht. Er tat so, als bemerke er nicht, dass ihre Leibwache - die nicht vom Blut der Schlacht besudelt war - keine hundert Schritt entfernt hinter Bäumen versteckt Aufstellung genommen hatte. Es konnte nur einen Grund geben, weshalb Terah Graesin gekommen war: Sie fragte sich, ob sie noch Königin war.
Wenn Logan nicht so vollkommen erschöpft gewesen wäre, hätte ihn das Ganze erheitert. Terah war allein zu ihm gegangen, um Verwundbarkeit oder Furchtlosigkeit zu demonstrieren. »Ihr wart heute ein Held«, sagte Terah. »Ihr habt der Kreatur des Gottkönigs Einhalt geboten. Man sagt, Ihr hättet sie getötet.«
Logan schüttelte den Kopf. Er hatte auf den Ferali eingestochen, und der Gottkönig hatte die Kreatur daraufhin verlassen, aber andere hatten ihm ernstere Wunden zugefügt als er. Irgendetwas anderes hatte den Gottkönig aufgehalten, nicht er, Logan.
»Ihr habt ihr befohlen, unsere Feinde zu vernichten, und sie hat es getan. Ihr habt Cenaria gerettet.«
Logan zuckte die Achseln. Das schien alles schon lange her zu sein.
»Ich nehme an, die Frage ist«, fuhr Terah Graesin fort, »habt Ihr Cenaria für Euch selbst gerettet oder für uns alle?«
Logan spuckte ihr vor die Füße. »Verschont mich mit diesem Mist, Terah. Ihr denkt, Ihr könnt mit mir spielen? Ihr habt nichts anzubieten, nichts, mit dem Ihr drohen könnt. Wenn Ihr eine Frage an mich habt, dann zeigt wenigstens so viel Respekt und fragt einfach.«
Terahs Rücken versteifte sich, sie hob das Kinn, und eine ihrer Hände zuckte, aber dann hielt sie inne.
Das Zucken der Hand war Logan nicht entgangen. Wäre es, wenn sie die Hand gehoben hätte, für ihre Männer das Zeichen gewesen anzugreifen? Logan blickte an ihr vorbei in den Wald am Rand des Schlachtfeldes, aber das Erste, was er sah, waren nicht ihre Leute. Er sah seine eigenen. Agons Hunde - darunter zwei der erstaunlich begabten Bogenschützen, die Agon mit ymmurischen Bögen ausgerüstet und zu Hexenjägern gemacht hatte - hatten heimlich hinter Terahs Leibwachen Position bezogen. Beide Hexenjäger hatten Pfeile an die Sehnen gelegt, aber ihre
Bögen noch nicht gespannt. Beide Männer hatten offensichtlich darauf geachtet, sich so hinzustellen, dass Logan sie gut sehen konnte; von den übrigen Hunden war indessen keiner klar zu erkennen.
Einer der Jäger blickte abwechselnd zu Logan und einem Ziel im Wald. Logan folgte seinem Blick und entdeckte einen verborgenen Bogenschützen Terahs, der mit seinem Pfeil auf ihn zielte und auf Terahs Signal wartete. Der andere Hexenjäger hatte den Blick auf Terah Graesins Rücken gerichtet. Sie beide warteten auf ein Signal von Logan. Logan hätte wissen müssen, dass seine auf der Straße groß gewordenen Gefolgsleute ihn nicht allein lassen würden, wenn Terah Graesin in der Nähe war.
Er blickte Terah an. Sie war schlank, schön, mit herrischen grünen Augen, die Logan an die Augen seiner Mutter erinnerten. Terah glaubte, dass Logan nichts von ihren Leuten im Wald wusste. Sie dachte, dass Logan nicht wusste, dass sie am längeren Hebel saß. »Ihr habt mir heute Morgen unter nicht gerade idealen Umständen Gefolgschaft geschworen«, sagte Terah. »Habt Ihr vor, Euren Schwur zu halten, oder beabsichtigt Ihr, Euch selbst zum König zu machen?«
Sie brachte es offenbar nicht fertig, ihn direkt zu fragen. Es war ihr nicht gegeben, nicht einmal jetzt, da sie glaubte, Logan völlig in der Hand zu haben. Sie würde keine
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